Wollensak 3.8/152mm Raptar Telephoto – Neues aus Krokushausen...

Heute war ich vintage-mäßig unterwegs in Krokushausen, bewaffnet mit einem – keine Ahnung, wie altem, ich vermute mal so um die 70 bis 80 Jahre – 3.8/152mm Filmkamera-Tele von Wollensak. Nach dem doch eher ruhigen Bokeh, das in dieser Situation das Sigma 2.8/150mm Macro hinterlässt, geht hier die Musik schon etwas mehr ab. Das für Wollensak typische rauhere Bokeh bringt in das Bild fast schon eine gewisse Dramatik.
Dies entspricht allerdings auch dem Standort, an dem dieser Krokus wächst; umgeben von anderen Pflanzen und unter Ästen von Sträuchern und Bäumen behauptet er seinen Anspruch auf die ersten warmen Sonnenstrahlen – und blüht allen anderen Pflanzen davon :-).

Kommentarbereich

Profile picture for user Martina Maise
Makronist

Wow, was für ein schönes und spannendes Bild. Die klare Schärfe vor dem verspielten sowie dem fein strukturierten Hintergrund ist genial. Es ist wirklich interessant die Unterschiede der verschieden alten Objektive zu sehen.

 

Liebe Grüße

Martina

Profile picture for user Roland

ADMIN

Hallo Martina,

dieses alte 3.8/152mm Objektiv von Wollensak ist ein ziemlich seltsames Gerät. Ich habe länger gebraucht, um es zu "verstehen", um seinen Willen zu erkennen, mit dem es zusammen mit mir das Bild "malen" möchte. Du hast Recht, einerseits ist da eine für die damalige Zeit phantastische Schärfe. Andererseits dieses Bokeh. Auch, wenn es (natürlich) markanter daherkommt als ein moderneres – für ein Wollensak ist es trotzdem sogar noch recht zahm. Wollensak-Objektive malen gerne einen rauen Pinsel. Das geht also noch viel wilder. Manchmal muss man da ordentlich dosieren, oder anders ausgedrückt: das Wollensak ein wenig an die kurze Leine nehmen :-).

Es ist jedes Mal ein spannender Prozess, dieses allmähliche Zusammenwachsen zwischen Makronist und einem charakterstarken Objektiv-Oldi.

Liebe Grüße 

Roland

Profile picture for user Rob
Makronist

Guten Morgen Roland,

auch mir gefällt das Bild sehr gut! Spannendes Altglas! Interessant finde ich auch, dass du aus diesem Blickwinkel durch die Wahl der längeren Brennweiten wohl erst die Strukturen (natürlich eher ruhig beim Sigma) überhaupt zum Erscheinen bringst. Aus dem gleichen Blickwinkel wäre mit dem kleinen Cooke wohl Ruhe im Karton. Deine beiden Bilder machen auf jeden Fall Lust, mal wieder mehr auf die Brennweite zu achten. So manche Aufnahmesituation schreit ja förmlich danach, mit der richtigen Brennweite (und eben auch mal mit einer längeren) abgelichtet zu werden. Ich vergesse das leider viel zu oft. 

Danke fürs Zeigen & schöne Grüße

Rob

Profile picture for user Roland

ADMIN

Hallo Rob,

Du sprichst einen sehr wichtigen Punkt an insbesondere bezüglich der Vintage-Makrofotografie: die motivabhängig bewusste Entscheidung für eine bestimmte Brennweite. Die Unterschiede der Darstellungen variiert je nach eingesetzter Brennweite oft extrem stark. Neben vielen anderen Faktoren spielt sie eine große Rolle hinsichtlich der Ausgestaltung des Bildergebnisses.

Wenn ich die obige Situation mit dem Cooke Kinik 1.5/25mm aufgenommen hätte – darauf spielst Du in Deinen Zeilen an –, wäre ein Foto herausgekommen, das aber auch so was von anders ausgesehen hätte :-)! Und ich bin ziemlich sicher, es wäre nicht "Ruhe im Karton" gewesen, sondern das Gegenteil. Die extrem kurze Brennweite von 25mm bringt trotz der sehr offenen Blende 1.5 so viel Umgebung mit ins Bild, dass das Bokeh eventuell sogar das Hauptmotiv erschlagen hätte.

Interessant hierbei ist tatsächlich diese Blende 1.5. Bei vielen der alten Objektive ist sie bezüglich ihrer "Wirkung" eher eine Art "Richtmaß" mit weniger Allgemeingültigkeit als bei modernen Objektiven. Die meisten modernen Objektive produzieren bei gleicher Blende gleiche bis sehr ähnliche Hintergrund- bzw. Unschärfestrukturen – und zwar weitestgehend unabhängig von der Brennweite; dies zeige ich in einer Bilder-Vergleichsreihe beim Makrofoto-Workshop.

Bei den meisten malfähigen Vintage-Objektiven kommt die eigene Abbildungscharakteristik hinzu. Wie malt des jeweilige Objektiv die Strukturen? Wie stark ist sein Rendering? Wie geht es mit Licht/Schatten-Unterschieden um? Diese und weitere Faktoren haben große Auswirkungen auf die Wiedergabe von Unschärfen. So kommt es, dass es beispielsweise Objektive gleicher Brennweite gibt, die mit Blende 1.9 ein "ruhigeres" Bokeh gestalten als ein anderes mit Blende 1.4 – obwohl nach klassischer Lehre die offenere Blende 1.4 deutlich stärker beruhigen sollte.

Tja, das alles und noch viel mehr macht die Fotografie mit diesen alten Objektiv-Schätzen so spannend – und so kreativ!

Liebe Grüße 

Roland

Profile picture for user Rob
Makronist

Hallo Roland,

danke für die aufklärenden Worte und den Hinweis, dass die individuelle Charakteristik natürlich auch noch die Entscheidung für ein Objektiv, je nach Bildidee und Gegebenheiten vor Ort, bestimmen kann. Licht und ABM spielt dann ja auch noch eine große Rolle und in der Summe wird es schon recht komplex ;-) Ein Glück, dass es Spass macht, dabei auch mal wilder herum zu experimentieren. Ich sammle grad Vintage-Erfahrungswerte und komme zu dem Schluss, dass man sich sowas niemals anlesen könnte.

Bezüglich der Aussage "Ruhe im Karton" wollte ich noch ergänzen, dass dies wohl nicht glücklich formuliert wurde. Ich meinte das, was du auch in deinem Betrag zu den Haselkätzchen veranschaulicht hast, nämlich die Tatsache, dass die Brennweite den Raum dehnt oder staucht. Bei meinen Vergleichen zwischen dem kleinen Cooke und dem Trio ist mir einfach deutlich aufgefallen, dass die Hintergründe bei der kürzeren Brennweite (und je nach ABM) schnell zu weit weg sind (um den Gesang noch hören zu können). Gleichzeitig holt die weite Sicht natürlich auch andere Elemente ins Bild. Mein Verdacht war (auch wenn ich die Gegebenheiten vor Ort nicht kenne), dass die Äste im oberen Bereich weniger Strukturen zeigen würden.

Das Vintage-Fieber hat mich definitiv erfasst! Das hast du ja vorausgesehen ;-) Ich bekomme langsam Lust auch noch mit einer mittleren Brennweite hier weiterzukommen, denn für manche Bildidee ist 25mm zu wenig und 100mm zu viel.

Schöne Grüße nach Krokushausen

Rob

Profile picture for user Roland

ADMIN

Hallo Rob,

mit Deiner Einschätzung hinsichtlich der mittleren Brennweite liegst Du absolut richtig. Ich kenne Deine Arbeitsweise anhand Deiner Bildeinstellungen hier bei Makrotreff ein wenig. Und ja, eine Brennweite um die 50mm herum in Deinen Händen würde Dein kreatives Potential stark ergänzen bzw. erweitern.

Du kannst Dich gerne wieder an mich wenden, ich habe da ein paar richtig leckere Teile in Top-Qualität :-).

Liebe Grüße

Roland

Profile picture for user Flora1958

MOD

Guten Morgen, Roland,

hier wird wieder so deutlich, was den Unterschied Alt/Neuobjektiv ausmacht. Diesen 3 D Effekt, diese Räumlichkeit und Atmosphäre bringst du mit den modernen Obis nicht so hin. Das ist es, was uns süchtig macht nach immer mehr solchen Eindrücken und Spielereien und was uns letztendlich an der " normalen Fotografie" so schmerzlich fehlt.

Ich wünsche dir einen schönen Sonntag.

Liebe Grüße

Gabi

Profile picture for user Roland

ADMIN

Hallo Gabi,

ja, es verhält sich tatsächlich so, wie Du es beschreibst. Es gibt Motive, die sich gegebenenfalls "wirkungsvoller" bzw. ausdrucksstärker mit den Eigenschaften alter Gläser ablichten lassen, andere wiederum sind prädestiniert für die hochkorrigierten Objektive unserer Zeit. Somit ergänzen sich moderne und Vintage-Makrofotografie auf eine sehr schöne Weise.

Die (neue) Kunst ist es nun, zu lernen, in welchen Situationen die eine, und in welchen die andere "Technik" die geeignetere ist. Bei den Workshops gehe ich auf diesen Punkt intensiv ein; dort habe ich natürlich mehr Möglichkeiten – alleine schon durch die Präsentationsmöglichkeit von Bildern im fliegenden Wechsel auf der großen Leinwand. Das ist in dieser Wirkungsdichte auf einer Plattform wie Makrotreff nicht möglich.

Sehr aussagekräftig ist, wie deutlich hier das "Voting" für die Vintage-Variante ausfällt – habe ich doch das klassisch fotografierte Bild mit der maximalen Bildtiefe und Atmosphäre aufgenommen, die in der gegebenen Situation mit einem modernen Objektiv möglich sind.

Das zeigt, dass diese beispielhafte Situation ein Beispiel für die beispielhafte Überlegenheit eines beispielhaft eingesetzten Vintage-Makroobjektiv ist (au backe, was für´n Deutsch!!) :-).

Liebe Grüße 

Roland

Profile picture for user IngaEdel
Makronist

Moin Roland,

bei so vielen privaten Krokussen kann man ganz neidisch werden. Ich muss mir die Parkkrokusse leider mit tausend anderen Leuten teilen.

Hier vereinen sich für mich die Schärfe eines Modernen mit der Atmosphäre eines Alten. Sehr schön!

Liebe Grüße

Inga

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich angezeigt. Deine Emailadresse ist nötig, um Dich über neue Antworten zu informieren.