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ADMIN

Hallo Britta,

ein tolles Motiv!

Ich spreche ein paar Dinge näher an:

Schärfe

Auf den ersten Blick wirkt das Foto scharf, das wurde ja auch bereits festgestellt :-). Wenn man es vergrößert, kommen jedoch einige leichte Unschärfen zutage. Und diese Unschärfen sind ganz geringe Verwacklungsunschärfen, die in der für die Makrofotografie ziemlich langen Verschlusszeit von 1/125s begründet liegen.

Hierzu hatte ich bei Deiner vorherigen Bildeinstellung Die kleine Raupe Nimmersatt bereits einiges geschrieben, auf das ich an dieser Stelle verweise...

Schärfeebene

Du hast den Schärfepunkt auf die Beine gelegt, aus dieser Perspektive also auf die am nächsten zur Kamera gewandten Körperteile der Skorpionsfliege; ihr Körper inklusive der Augen liegen hinter diesen Beinen. Selbst die relativ große Schärfeebene der Blende 9 reicht nicht aus, um den Fliegenkörper zu erfassen – mit der Folge, dass er hinter der Schärfeebene liegt und damit leicht unscharf ist.

LÖSUNG:
Bei einer solchen Ausrichtung zum Motiv muss man immer darauf achten, dass der (Auto-)Fokus nicht an den vorderen Strukturen – hier die Fliegenbeine – hängenbleibt. Hauptmotiv ist die Fliege, ihre zentralen Bereiche sind der Körper und vor allem ihre Augen. Die müssen scharf sein.

In diesem Fall bedeutet das, entweder die Punktschärfe "an den Beinen vorbei" auf den Körper zu legen, oder die Blende weiter zu schließen, um mehr Schärfentiefe zu erhalten. Ein wenig Luft bestand bei der von Dir eingesetzten Kamera, genauer gesagt eine Blendenstufe; darüber hinaus hätte die Beugungsunschärfe sichtbar gegriffen.

Mit dem weiteren Schließen der Blende wäre natürlich ein neues Problem entstanden, das wir beim kommenden Punkt betrachten...

ISO-Wert

Der ISO-Wert von 1250 ist bereits recht hoch – insbesondere für die Makrofotografie. Leichtes Bildrauschen ist erkennbar, und vor allem leidet die Bild-Brillanz.

In der Makrofotografie herrschen hinsichtlich der ISO-Werte etwas andere Verhältnisse als in vielen anderen Fotobereichen. Während beispielsweise viele Landschaftsfotos oder auch Fotos von Menschen recht hohe ISO-Werte vertragen, möchte der Bildbetrachter bei Vergrößerungen, also in der Makrofotografie, klar, scharf und brillant die Details betrachten, die ihm angeboten werden. Da machen sich hohe ISO-Werte recht schnell negativ bemerkbar.

Welchen Spielraum hattest Du nun bei dieser Aufnahme? Eigentlich keinen mehr. Die Blende hätte eher noch eine Stufe weiter geschlossen werden müssen (siehe den Punkt oben), was das Licht nochmals halbiert hätte. Weder die Verschlusszeit noch der ISO-Wert hätten sich darüber "gefreut" :-). Hier sind die Spielräume bereits aus- bzw. sogar überreizt. Und damit kommen wir wieder zurück zur Schärfe. Mit diesen drei fotografischen Größen (ISO-Wert, Verschlusszeit, Blende) drehen wir uns letztendlich immer um diese Schärfe im Bild.

Nun weiß ich nicht, wie die Voraussetzungen zum Zeitpunkt des Fotografierens waren. Mit dem Einsatz eines Stativs hätte man natürlich die eigene Verwacklung deutlich reduzieren können. Aber hast nur Du gewackelt? Oder war ein leichter Wind mit dabei, der das Motiv bewegt hat? Hättest Du überhaupt ein Stativ aufbauen können, ohne dass die Fliege sich verabschiedete hätte?

Ansonsten bleibt nur noch die Anwendung einer völlig anderen Technik. Mittels Focus-Stacking hättest Du diese Probleme umgehen können, vorausgesetzt, es war windstill. Aber das ist dann eine ganz andere Thematik...

Für eine Freihand-Aufnahme (wenn sie dies tatsächlich ist) und ohne Anwendung des Focus Stackings muss man leider einfach sagen: Es war zu dunkel, um die Schärfe ins Bild zu bekommen, zu der das von Dir eingesetzte Objektiv in der Lage ist. Das Canon-Makro kann deutlich schärfer...

Bildaufteilung

Du hast die Skorpionsfliege links ins Bild gesetzt, mit Blick ebenfalls nach links – also aus dem Bild heraus. "Normalerweise" entspricht dies eher einer ungünstigen Bildkomposition.

Nun befindet sich in der rechten Bildhälfte eine dunkle, senkrechte, recht unscharfe Linie mit dem gelben, unscharfen Fleck oben. Beides zusammen zieht die Fliege wieder ein wenig zurück ins Bild.

Alternative: Wie wäre eine Hochformat-Lösung gewesen? Ein Hochformat, bei dem die Fliege unten rechts im Bild sitzt (Goldener Schnitt) und nach oben links in den leeren Bildraum schaut? Dies hätte dem Bild eine enorme Bildtiefe verliehen. Und wäre der Hintergrund dort oben nicht vielleicht sogar attraktiver gewesen als die dunkle, senkrechte Linie in der rechten Bildhälfte? Der lila Unschärfebereich, der am oberen Bildrand abgeschnitten ist, sowie der schon erwähnte gelbe, unscharfe Fleck sprechen dafür. Aber wie gesagt, ich weiß natürlich nicht, wie es da oben weitergegangen wäre... :-).

Hätte, wäre, sollte – da haben wir wieder die leidigen Konjunktive. Im Nachhinein kann man das immer so schön sagen :-).
Eines jedenfalls bleibt: Ich kann verstehen, warum Dir dieses Foto gefällt. Es ist tatsächlich ein schönes Foto. Das, was ich jetzt alles dazu geschrieben habe, hinterlässt den Eindruck einer Übergewichtung der negativen Aspekte. Das ist falsch! Es sind Kleinigkeiten, über die ich viel geschrieben und auch ein wenig philosophiert habe. Aber das ist nun mal mein Job hier... :-).

In diesem Sinne weiterhin "Gut Licht" 

Roland

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