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ADMIN

Hallo water castle,

ich gebe Dir absolut Recht, was die Bildwirkung beim retuschierten Bild anbetrifft. Vor allem, wenn man mit der Retusche an von Licht verursachte Bildteile herangeht, muss man sehr vorsichtig sein. Die Ergebnisse werden oft flach und fad! Hier bei Deinem Bild ist es fast ein Killer, die oben am Bildrand vom Licht ausgefressenen Stellen "einzugrünen"; die Wirkung ist genau so, wie Du sie beschreibst: ein "spannungsloses" Bild. Da war Licht, und da gehört auch Licht hin! Es darf halt nur nicht völlig ausgefressen sein.

Es ist wirklich beachtlich, was man heute mit den kleinen "Knipsen" so alles machen kann, auch da gebe ich Dir Recht. Dennoch: Was den sogenannten "Tiefenschärfenvorteil" anbetrifft, da muss man sehr aufpassen und differenzieren.

Es gibt hier bei uns auf Makrotreff noch keine umfassendere Diskussion zum Thema Sensorgröße. Ich werde wohl bald mal eine "stricken" ...

Deshalb hier konkret zu Deiner Frage einige Ausführungen und Gedanken:


Die Theorie lautet: Kleiner Sensor = mehr Tiefenschärfe bei gleicher Blende gegenüber größerem oder großem Sensor!

Das stimmt erst auch einmal. Aber die Tiefenschärfe ist nicht das Einzige, was sich hier verändert darstellt - und vor allem nicht so, wie die meisten das verstehen und beschreiben (siehe unten stehende Ausführungen)! Und zusätzlich wirken sich auch andere Parameter unterschiedlich aus, so zum Beispiel

  • der fotografierte Ausschnitt
  • die Beugungsunschärfe

und noch einige mehr ...

Das führt bei einem kleineren Sensor gegenüber einem größeren zu Folgendem:

  • bei gleicher Brennweite größerer Ausschnitt
  • bei Beugungsunschärfe macht sich früher bemerkbar

Wie wirkt sich das konkret aus? Wir schauen uns das einmal beim Unterschied Vollformat (VF) gegenüber Mikro-Four-Third (mFT) an.
Um im Endergebnis (das Bild auf dem Monitor oder im Print) eine Fliege gleich groß abzubilden, benötigst Du bei mFT die halbe Makrobrennweite gegenüber VF. Die Beugungsunschärfe greift bei mFT aber bereits ab ca. Blende 8, bei VF erst ab ca. Blende 16, also zwei Blendenstufen später. Dafür hast Du aber bei der halben Makrobrennweite von vornherein bereits ein Mehr an Tiefenschärfe gegenüber dem Vollformat, sodass Du - immer im Vergleich unter Beibehaltung derselben Parameter - bei mFT bereits bei Blende 8-11 bereits den gleichen Bereich scharf hast wie bei Blende 16 beim VF. Das ist also immer alles in Abhängigkeit zur eingesetzten Brennweite zu sehen, weil die physikalischen Eigenschaften der jeweiligen Brennweiten natürlich gleich bleiben (was viele User übersehen!). Nur der fotografierte Ausschnitt verändert sich je nach Sensorgröße, und damit auch der Abbildungsmaßstab beim "End"-Bild (Bild auf dem Monitor oder im Print). Die Physik einer Brennweite verändert sich (natürlich) nicht!

Die einfache "Knipse" hat also im Makrobereich eigentlich keinen Tiefenschärfenvorteil, weil da oben in den höheren Blendenbereichen, wo theoretisch eine Fatzen-Tiefenschärfe ist, die Beugungsunschärfe alles wieder zerstört! Während bei mFT beispielsweise schon irgendwo bei Blende 8 bis 9 Schluss ist, geht das bei Dir schon deutlich früher los. Dein 1/2,4"-Sensor ist nochmals wesentlich kleiner als der mFT-Sensor. Da wird das Beugungsproblem bereits ab 5,6 oder sogar früher einsetzten. Damit ist also eigentlich dieser vielbeschworene "Tiefenschärfenvorteil" wieder futsch.

Der gleiche Effekt wirkt sich natürlich auch beispielsweise beim Teleobjektiv-Einsatz in der Tierfotografie oder in der Portraitfotografie mit leichten Teles aus. Hier hat man dann sogar bei kleinen Sensoren das "Problem", dass man zu viel Tiefenschärfe hat. Schließlich möchte man ja nun den Hintergrund schön harmonisch beruhigen und dadurch das eigentliche Motiv etwas freistellen bzw. hervorheben! Hier sind VF-Sensoren im Vorteil, die kleinen "Knipsen" haben hier eher sogar ein "Tiefenschärfenproblem"! Aus diesem Grund werden für die kleineren mFT-Sensoren teilweise die extrem lichtstarken Objektive gebaut. Viele mFT-Objektive werden eine Blendenstufe lichtstärker konstruiert und angeboten als die Objektiv-Konstrukte für größere Sensoren - eben um diesen "Nachteil" ein wenig auszugleichen.

Natürlich kommen bei diesem Thema noch weitere Faktoren zum Tragen, sodass das Ganze richtig kompliziert wird. Zum Beispiel spielen die Anzahl der Pixel/Flächengröße eine Rolle sowie deren Konstrukt. Aber man muss sich immer fragen, was dann tatsächlich für die (eigene) Praxis von Relevanz ist. Und da ist vor allem das oben Beschriebene relevant.

Ich verstehe, was Dich an Deiner "kleinen" Travel-Kamera so reizt. Die Vorteile liegen klar auf der Hand. Aber einige ihrer Grenzen beschreibst Du selbst. Dennoch ist es äußerst faszinierend, wie weite man mit ihnen kommt.

Wenn Du überlegst, auf eine andere Kamera umzusteigen, da gibt es natürlich sehr interessante Möglichkeiten, die sowohl Deinen Ansprüchen entgegenkommen als auch Vorteile in der Makrofotografie bieten. Ich biete übrigens Makrofoto-Workshops an, bei denen unter anderem genau diese Unterschiede sehr schön herauskommen. Da kann man sich das Ganze in der Praxis anschauen und über den direkten Einsatz der verschiedenen Systeme auch deren Unterschiede hinsichtlich Handhabung und Leistung "erleben".

Lieber Gruß

Roland

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