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Makronist

Hallo Roland,
eigentlich wollte ich ja an dieser Stelle wirklich nur ein gutes neues Jahr wünschen, und nicht in epischer Breite diskutieren. 
Aber naja, zunächst mal zum Bild: Was mich an der Mikro-Fotografie fasziniert, ist, dass man Dinge entdeckt, mit denen man täglich zu tun hat, ohne zu wissen wie raffiniert und schön sie im wirklich sind. Als Beispiel eben die Stechmücke, mit der jeder sicherlich schon 100te male Blutsbrüderschaft geschlossen hat.
Der Kopf, um ein Vielfaches kleiner als der Thorax (und besteht fast nur aus Augen), dann die physikalischen Farben der Facettenaugen (dies ist nicht bei jeder Art der Fall), im "Genick" sowohl Haare (wie bei Spinnen) als auch Schuppen (wie bei Schmetterlingen), ebenso der Stechrüssel (Haare und Schuppen entgegen der Stechrichtung!), die Kugelgelenke für die Fühler, ganz zu schweigen von der Feinstruktur (feinste Härchen) usw. All dies Dinge, die ich nicht wusste, bevor ich dieses Bild gemacht habe!

Bevor ich deine technischen Fragen beantworte, eine Bemerkung zum Hintergrund:  Mikrofotografie bedeutet immer "Studioaufnahme", d.h. der Hintergrund ist ziemlich beliebig (die Tiefenschärfe des hier verwendeten Objektivs liegt bei 1.6 Mikrometern!). Ich platziere die Objekte auf farbigen Glasplättchen (hier dunkelblau). Dies verschmilzt dann evtl. mit Teilen des Objekt, die viel weiter hinten liegen, und ist nicht immer von hohem ästhetischem Wert. In diesem Fall, weil ich dachte, es passt gut zu Neujahrsgrüßen, habe ich eine Bokeh- Aufnahme mit Domiplan+Teleconverter (ein Trioplan kann ich mir nicht leisten) mit "weichem Licht" untergemischt. Die Mitutoyo Objektive sind für solche Späße natürlich nicht zu haben!
Jetzt zur Technik: Ein Bild sagt hier mehr als Worte (siehe demnächst).
Vorab: (Fast) alle Teile, insbesondere die Objektive, sind GEBRAUCHT (ebay China)  gekauft der Rest ist selbst gebastelt/ programmiert. Die Mitutoyos kosten neu ein Vermögen. Allerdings habe ich mich ca. 2 Jahre lang mit Lupenobjektiven (Zeiss, Canon, Leitz etc.) und Balgen herumgeschlagen, und muss sagen, hier liegen Welten dazwischen!
Im Wesentlichen handelt es sich um Mitutoyo Plan-Achromat- Objektive (1x…100x), die über einen 52mm Tubus an die Kamera angeflanscht sind. Im Tubus befindet sich eine zusätzliche Optik, die die auf unendlich korrigierten Objektive auf die Sensor-Ebene des Fotoapparates abbilden. [Super Abhandlung über Tubuslinsen findet man bei Robert OToole (closeuphotography.com). Bei den Mizutoyos kann man problemlos die Vergrößerung reduzieren, und trotzdem sogar im Vollformat fotografieren, OHNE dabei an Auflösung zu verlieren. Vorteil: Größerer Bildbereich!. Hier habe ich allerdings die nominell 200mm Tubuslinse eingesetzt, so dass der ABM tatsächlich 20:1 ist. Häufig (vor allem bei 50x und 100x) setze ich aber einen Raynox-Achromaten mit 125mm (8 Dioptrien) ein, da ansonsten nur eine "leere" Vergrößerung am Bildsensor entsteht.
Für das Bracketing wird ein 3-D-Tisch mittels eines Schrittmotors und einer Mikrometerschraube in der vertikalen Richtung verfahren (Auflösung 0.1µm).
Wichtig ist die Beleuchtung: Auf den kleinen Alu-Quadern befindet sich jeweils eine 20W LED mit hoher Farbwiedergabetreue (RA > 95). Diese können einzeln positioniert und gedimmt werden. Die Ablaufsteuerung (Synchronisierung von Schrittmotor, LED –Blitzen und Kameraauslösung übernimmt ein Arduino, der über Bluetooth mit einer Smartphone-App parametriert werden kann (links unten, blaues Gehäuse). Die Fernsteuerbarkeit über Funk ist sehr wichtig, da man während des Bracketing-Vorgangs den Raum unbedingt verlassen muss, um über den Boden übertragene Vibrationen zu vermeiden. Die Belichtungszeiten sind –je nach Vergrößerung—bis zu 1/5 sec (!). Am rechten Rand des Fotos steht ein Binokular sowie Präparationsbesteck, um die Objekte auszurichten und zu fixieren.
Günther, noch zu deinen speziellen Fragen: 
Beleuchtung: Wichtig ist natürlich ein zusätzlicher Diffusor, dies ist der weiße Kunststoff-Becher über dem rechten Objektiv, den man herunterziehen kann.

Blende: Wer hier abblendet verschenkt unweigerlich Auflösung! Numerische Apertur 0.42 impliziert eine Auflösung von 0.7 Mikrometer (ca. 1 Wellenlänge!), jede Verkleinerung des Blendendurchmessers bedeutet sofort Detailverlust. Ausnahme sind Streulichtblenden, die ich bei koaxialer Beleuchtung einsetzen (muss))

Stack: Schrittweite 1.6 Mikrometer (entsprechend der Tiefenschärfe), insgesamt waren es ca. 700 Einzelaufnahmen (alle in RAW, da kommt der PC beim Stacken ganz schön ins schwitzen).

Die langen Fühler der Mücke hätten den Stack ins praktisch unendliche geführt, man muss die halt irgendwie im Bokeh verschwinden lassen, oder gibts da bessere Ideen?

Wenn gewünscht, werde demnächst noch ein paar Aufnahmen zur weiteren Illustration hochladen.

Schöne Grüße

Uli

Zur Verdeutlichung der Tiefenschärfe, hier ein Einzelbild. 

Das spannende dabei ist dass man, am Mikroskop sitzend, noch keinen Überblick über das Gesamtbild hat. Das kriegt man erst nach dem Stacking. Fast so spannend, wie früher, in der analogen Fotografie, wo man sein entwickeltes Bild auch erst nach einiger Zeit in Augenschein nehmen konnte!

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