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ADMIN

Der Mensch und seine Selbstsicht

Hallo Rob,

vielen Dank für Deine – ebenfalls ausführliche :-) – Antwort. Ich kann das, was Du schreibst, alles sehr gut nachvollziehen. Selbstverständlich gibt es ausreichende "Gründe", einzelne Tiere zu retten bzw. ihr Überleben zu sicher. Es wäre schlichtweg wahnsinnig, es nicht zu tun, wenn man die Möglichkeit hat, es zu tun.

Auf die Begründung kommt es an

Ich denke, die Begründung, aus der heraus man dies macht, ist der punctus cnactus. Solche Aktionen sind ein Ausdruck des Mitgefühls für unsere Mitbewohner auf diesem Planeten; dies sollte eigentlich selbstverständlich sein. Wie gesagt, es nicht zu tun, ist wahnsinnig.
Irreführend wird es, wenn solche Aktionen vor dem Hintergrund globalen Naturschutzes gemacht werden. Werden sie beispielsweise – wie heute üblich – als Konzepte "verkauft", aussterbende Hautflüglerarten (Wildbienen und Wespen durch Bruthilfen oder Zuckergaben) oder Amphibienarten (durch über die Straße tragen) insgesamt zu retten, ist dies falsch. Nein, nicht nur falsch, ich gehe noch weiter. Es ist gefährlich, weil mit solchen Falsch-Konzepten suggeriert wird, der Mensch würde das Problem durch sein Handeln richten. Das ist ja ohnehin die größte Krankheit des Menschen, an der er leidet: Er meint immer, er müsste etwas machen. Zuerst macht er alles kaputt, dann macht er wieder alles heil. Bei all diesem Vorgehen steht das Machen durch den Menschen im Vordergrund.

Ein weiteres aktuelles Beispiel, das diesen Wahnsinn aufzeigt, sind die Blühstreifen in unserer Landschaft. Zuerst werden über viele Jahrzehnte hinweg unsere gesamten landwirtschaftlich genutzten Flächen zerstört, ausgeräumt und vergiftet. Sterben dann – oh Wunder – alle dort lebenden Tiere, säht man langgezogene Blumensträuße entlang von einigen Äckern. Warum? Angeblich, um die Natur wieder zu retten. In Wirklichkeit aber, damit die landwirtschaftlichen Nutzpflanzen bestäubt werden (vorrangig durch Honigbienen), die Jäger was zum Schießen haben (sogenanntes "Niederwild") und die sogenannten Naturschützer wieder Ruhe geben.

[Anmerkung: Wesentlich besser wäre es, endlich mal die vielfältigen Zerstörungen zu unterlassen. Der Rest funktioniert dann ganz ohne Zutun des Menschen. Aber Beides kann der Mensch nicht – weder "unterlassen", noch "ohne Zutun".]

Anthropozentrismus – die Wurzel der Arroganz

Die Wurzel dieser Selbstwahrnehmung liegt in der chronischen Selbsterhöhung des Menschen gegenüber allen anderen Lebensformen auf der Erde. Er sieht sich als die Krone der Schöpfung, als dasjenige Lebewesen, dem alles andere auf dieser Erde dient – ob es Säugetiere sind, die man unter übelsten Bedingungen produziert, um sie zu essen, oder ob es Bestandteile unseres Planeten, Ressourcen genannt, sind, die dem eigenen Nutzen dienen. Daraus entsteht das, was ich oben "Arroganz" nenne. Aus einer solchen Selbstwahrnehmung kann nur Arroganz gegenüber der gesamten Umwelt resultieren.

Die Folgen dieser Arroganz sind überall sichtbar: geplünderte und vermüllte Meere, sterbende Pflanzen und Tiere in so gut wie allen Landlebensräumen, zerstörte und reduzierte (durch Abschwemmung und Verwehung) Mutterböden, vergiftetes Süßwassers usw. Diese Aufzählung lässt sich lange fortsetzen.

Die Folgen des menschlichen Überlegenheitsdenken gegenüber allen anderen belebten und unbelebten Bestandteilen seiner Umgebung hat zur gnadenlosen Übernutzung aller Lebensräume geführt. Und nun kommt Akt zwei dieser Selbstüberschätzung: Der Mensch meint, durch sein (technisches) Handeln das alles wieder richten zu können – natürlich nur vor dem Hintergrund des eigenen Arterhalts.

Nun biege ich das alles wieder zurück zu unserem Ausgangsthema: die Rettung von Hummelköniginnen im Frühjahr. Ob der Mensch nun meint, mittels Monster-Deichbauten den von ihm verursachten steigenden Meeresspiegel in Schach zu halten, oder durch Zuckerdarreichung hungernden Hummelköniginnen den von ihm zerstörten Lebensraum zu ersetzen – sowohl das Große als auch das Kleine sind gleichermaßen Ausdruck des Grundübels: die selbsterhöhende, anthropozentrische Selbstsicht des Menschen.

Die nackte Wahrheit

Solange wir uns nicht wieder zurückversetzen in das, was wir sind – nämlich ein Teil (anstatt Herrscher) der uns umgebenden Natur –, solange wird sich die Natur von all ihren Schäden nicht erholen, sondern weiter verschlechtern. Und genau das zeigen die vielen vergangenen Jahrzehnte: Alle Nisthilfen, Vogelfütterungen oder Zuckerdarreichungen usw. haben nicht verhindert, dass wir uns heute inmitten des schnellsten Artensterbens, der größten Lebensraumzerstörung und der schnellsten Klimaerwärmung der Erdgeschichte befinden – verursacht durch den Menschen.

Es lebe (auch) das Individuum!

Und trotzdem: Auch ich würde der Hummel Zucker geben! Und ich würde auch eine Kröte über eine vielbefahrene Straße tragen. Warum? Weil es einfach nur dämlich wäre, zuzuschauen, wie eine Erdkröte auf einer Teerstraße von Autorädern plattgefahren oder von der Druckwelle eines vorbeirasenden Autos zerfetzt wird. Oder eben eine Hummel infolge Nahrungsmangel langsam stirbt.

Kein schönes Frühlings-Thema...!

Liebe Grüße 

Roland

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