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Schäden bei Vintage-Objektiven

Hallo Mainecoon,

es trifft nicht zu, dass das Oreston 1.8/50mm bei Offenblende "nicht so gut" ist, "man müsse um zwei bis drei Stufen abblenden".

Es ist natürlich zutreffend, dass dieses Objektiv bei Offenblende eine geringere Schärfe zeigt als abgeblendet – so wie jedes andere Vintage-Objektiv und jedes moderne Objektiv auch. Allerdings ist der Unterschied beim Oreston 1.8/50mm nicht größer als bei vielen anderen Objektiven aus dieser Zeit. Wenn man also beispielsweise im Internet solche Feststellungen liest, kann es sich bei demjenigen Objektiv (oder sogar denjenigen Objektiven) um Individuen handeln, die entweder Ausreißer aus der Produktionsserie sind, oder aber – und dies halte ich für wahrscheinlicher – schlichtweg im Laufe der Jahrzehnte den einen oder anderen Schaden verpasst bekommen haben. Dann hat man beim Kauf leider Pech gehabt – insbesondere, wenn man nicht weiß, was dieser Objektivtyp zu leisten in der Lage ist.

Aus diesem Grund biete ich übrigens bei den Vintage-Makroworkshops ausgewählte und geprüfte Objektive zum Kauf an. Dann kann sich der Makronist bedenkenlos auf die "schönen Seiten" der Vintage-Fotografie mit den Objektiv-Senioren konzentrieren und freuen.

Abblenden bei Vintage-Objektiven?

Dieser Umstand hat übrigens dramatische Auswirkungen. Ist eine Vintage-Linse, egal aus welchen Gründen, nicht in der Lage, bei Offenblende eingesetzt zu werden, sondern nur um ein bis zwei Stufen abgeblendet, hebelt sich die Berechtigung seines heutigen Einsatzes an hochmodernen Sensoren weitestgehend aus. Denn mit jedem Abblenden verringert sich die gewollte Malwirkung dramatisch, die individuelle Wiedergabecharakteristik schwächt sich ab. Übrig bleiben Abbildungseigenschaften, bei denen moderne Objektive in der Regel um Längen überlegen sind.

Hier wird also ein äußerst wichtiger Grundsatz für den fotografischen Einsatz der Vintage-Objektive deutlich:

Vintage-Objektive müssen optisch vollkommen in Ordnung sein.

[Ausnahmen sind Veränderungen oder sogar Defekte, die wiederum gezielt gestalterisch eingesetzt werden. Aber da bewegen wir uns in einer anderen Liga :-).]

Wie entlarvt man aus Schäden resultierende optische Mängel bei Vintage-Objektiven? 

Genau hierin liegt ein kleines Problem. Objektive, die vor vielen Jahrzehnten konstruiert und berechnet wurden, sind natürlich in keine Weise mit heutigen modernen Objektiven vergleichbar. Vintage-Objektive müssen also mit völlig anderen Maßstäben geprüft und eingewertet werden.

Aber woher weiß nun ein Makronist, ob die individuelle Leistung eines so alten Objektivs dem damaligen Stand entspricht und damit in Ordnung ist? Er hat in der Regel keinerlei Vergleichsmöglichkeit. Mit modernen Objektiven ist ein Vergleich unsinnig, weil er überhaupt keine sinnvolle Aussage liefert. Das ist so, als würde man die sprichwörtlichen Äpfel mit Birnen vergleichen. Aber was ist dann das Richtmaß für einen aussagefähigen Vergleich? Woran kann sich der Fotograf orientieren?

Hier gibt es nur eine Antwort: Ein Vergleich ist nur sinnvoll innerhalb der gleichen Objektive. Mann muss also viele Objektive dieses Objektiv-Typs testen. So lernt man das Objektiv kennen, seine Eigenschaften und Charakteristiken. Mit der Zeit weiß man, was dieses Objektiv zu leisten imstande ist. Und erst jetzt ist ein aussagekräftiger Vergleich möglich, der einem sagt, ob ein Objektiv einen Schaden hat, der die mögliche und zu erwartende optische Leistung einschränkt, oder nicht. 

Genau dies mache ich mit vielen tollen Vintage-Objektiven. Es ist erstaunlich, wie viele eigentlich gut aussehenden "Schätzchen" hierbei durchfallen und ihren Weg zurück zum Verkäufer antreten :-). Ich denke, es ist eine tolle Sache für unsere Workshop-Teilnehmer, solche geprüften Objektive beim Workshop erwerben zu können. Dahinter steckt eine enorme Arbeit meinerseits. Allerdings weiß ich auch, wie frustend es sein kann, jahrelang mit einer "unnötigen" Minderleistung eines Objektivs zu arbeiten, ohne es zu bemerken.

Lieber Gruß,

Roland

 

 

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