Neuen Kommentar hinzufügen

Profile picture for user Roland

ADMIN

Vintage-Fotografie und Kontraste

Hallo Lars,

vielen Dank für Deine Erläuterungen und die Einstellung des Originals. Alles zusammen sind das eine Menge Informationen :-), die uns viel Aufschluss liefern.

Ich denke mal einfach laut:

Das Original ist unterbelichtet – wahrscheinlich infolge des helleren Hintergrunds und der Lichtflecken oben im Bild, die aufgrund der tiefen Perspektive ins Bild kommen.

Nachträgliches Hochziehen der Belichtung führt (generell) zur Abschwächung von Kontrasten. Da dies hier zusätzlich zum Umstand dazukommt, dass das Trioplan 2.9/50mm ohnehin recht kontrastarm zeichnet, ist das Ergebnis ein sehr kontrastarmes Bild.

Deine nachträgliche Aufhellung ist so stark ausgefallen, dass die Bereiche um den Pilzhut sowie den Pilzstängel herum sogar etwas zu hell geworden sind. Das führt zu dem von mir oben angesprochenen, leicht unnatürlichen Eindruck ("Aufhellung von unten"). Diese etwas zu starke Aufhellung führt wiederum in Verbindung mit der Kontrastarmut zu dem von mir oben genannten "flachen" Licht.

Lösung

Belichtung

Insbesondere beim Einsatz von Vintage-Objektiven – und insbesondere dann, wenn diese überdurchschnittlich kontrastarm abbilden –, ist es von großer Bedeutung, bereits während der Erstellung des Fotos auf eine möglichst korrekte Belichtung zu achten. Denn es gilt allgemein: Nachträgliches Hochziehen der Belichtung bei flauen Fotos führt zur Verstärkung des flauen Eindrucks und zu einem Eindruck ähnlich einem überdurchschnittlichen Bildrauschen. Das hat oft zur Folge, dass man jeden Nachbearbeitungsschritt, den man vornimmt, irgendwie wieder mit einem weiteren, anderen Nachbearbeitungsschritt ausgleichen muss. Unterm Strich führt eine solche Kette schnell zu einer "Verschlimmbesserung" des Gesamtbildes. Dies lässt sich fast nur dadurch vermeiden, dass man von vornherein möglichst optimale Bildergebnisse "fotografiert", sodass die nachträglichen Eingriffe auf ein Mindestmaß reduziert werden. Hinzu kommt, dass es unterschiedlich geeignete Ausgangslagen beim Motiv gibt, so zum Beispiel unter anderem auch das Licht betreffend:

Licht

Ebenfalls ausgehend von der Kontrastarmut ist es bei solchen Objektiven hilfreich, Motive auszuwählen, auf denen irgendein ansprechendes Licht liegt, das für gute Kontraste sorgt. Das kann  beispielsweise ein seitlich einfallender Lichtstrahl sein oder auch ein stärkeres Gegenlicht. Das bringt natürlich dann sofort zusätzliche Kontrastkanten ins Bild.

Selbstverständlich ist es aber auch möglich, ohne dieses härtere Licht mit diesem oder ähnlichen Objektiven gute Fotos zu machen. Dann aber sollten die Lichtverteilungen im Bild passen. Ein beschattetes helles Hauptmotiv vor Lichtflecken im Hintergrund ist, was Kontrastbewältigung anbetrifft, eine äußerst schwierige Sache; spätestens beim Aufhellen des Fotos wird das deutlich. Und genau dies ist beim Helmling-Foto der Fall: Der Pilz ist sehr hell, in Teilen fast weiß, und befindet sich im Schatten. Im Hintergrund liegen sonnenbeschienene Lichtflecken. Zieht man nur hier die Gesamtbelichtung hoch, endet dies in partiellen Überbelichtungen und allgemeiner Kontrastarmut. Der im Schatten stehende helle Pilz wird so stark hochgezogen, dass der Schatteneindruck verschwindet; der Hintergrund mit seinen Lichtpartien wird ebenfalls hochgezogen. Das Gesamtergebnsi: helles Hauptmotiv vor hellem Hintergrund – und das alles in einem Meer von Kontrastarmut (ich übertreibe!). Die oben beschriebene "Verschlimmbesserung" setzt in dem Moment ein, wo man (selbstverständlich) nachträglich die Kontraste anhebt. Ab nun muss man bei jedem Schritt mit Kompromissen leben...

Moderne Objektive kommen mit solchen Ausgangssituationen besser klar. Man muss also diese alten Objektivschätzchen neu und individuell kennenlernen, denn das Fotografieren mit ihnen ist tatsächlich ein etwas anderes Fotografieren als dasjenige, das wir alle gelernt haben :-). Das Schöne dabei: Dieses Lernen geht relativ schnell, wenn man weiß, worauf man schauen muss, wenn man also die Unterschiede erkannt hat. Damit erschließt man sich dann eine völlig neue Art der (Makro-)Fotografie, die richtig viel Spaß macht – und eben so in dieser Form nicht mit modernen Objektiven umzusetzen ist.

Nochmals vielen Dank für Deine umfangreichen Erklärungen und die Einstellung des Originalfotos. Nur so lässt sich dieses sehr interessante Bildbeispiel so umfassen stichhaltig besprechen. Hieraus lassen sich eine Menge sehr interessante Informationen herauslesen.

Lieber Gruß,

Roland

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich angezeigt. Deine Emailadresse ist nötig, um Dich über neue Antworten zu informieren.