Ein tolles Foto, dazu eine tolle biologische Geschichte aus dem Leben einer interessanten heimischen Wanze!
Bei diesem tollen Foto unserer Userin Flora1958 handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um eine Baumwanze der Gattung Carpocoris, von der bei uns vier Arten vorkommen. Eine nähere Artbestimmung ist anhand des Fotos nicht möglich, da das Tier noch nicht ausgefärbt ist.
Auch eine genaue Artbestimmung der Larven ist anhand von Fotos kaum möglich, da die Larven aller vier Carpocoris-Arten sehr variabel sind.
Oben im Bild ist die Larvenhaut (Exuvie) der Larve im letzten Stadium zu sehen (die kontrastreiche braun-weiße Haut). Genau genommen spricht die Fachwelt bei Wanzen nicht von Larven, sondern von Nymphen. Denn es gibt einen Unterschied in deren Entwicklung gegenüber der "normalen" Insektenentwicklung: Während sich die meisten Insekten vom Ei über drei Larvenstadien und die Puppe zum fertigen Insekt (Imago) entwickeln und in der Larvenform dem Imago in der Regel überhaupt nicht ähnlich sehen (Beispiel Schmetterlingsraupe), überspringen Wanzen die Puppenphase - und damit die Phase der großen Verwandlung. Daher sehen die Nymphenstadien (in der Regel fünf Stück) mit zunehmender Entwicklung dem fertig entwickelten Insekt immer ähnlicher.
Oben im Bild wurde nun der letzte Schritt festgehalten: die Häutung der Nymphe 5 zum Imago. Das es sich bei dieser Verwandlung nun um den Imago handelt, ist an der Ausbildung der Flügel zu erkennen. Erst im letzten Entwicklungsschritt werden sie vollständig angelegt. Nymphen können nicht fliegen, sie haben nur (zunehmend größer werdende) Flügel-Stummel.
Die voll entwickelte Wanze wird sich nun innerhalb der nächsten knapp einen Stunde voll ausfärben - und dann auch rein optisch bis zur genauen Art bestimmt werden können. Der Verwandlungsort - die Gemeine Schafgarbe (Achillea millefolium) ist eine gerne von Carpocoris-Arten aufgesuchte und "angesaugte" Pflanze.
Um das genaue "Vorher" sowie das genaue "Nachher" des oben gezeigten Verwandlungsprozesses einschätzen zu können, stelle ich einige weitere Fotos ein:
Gute weiterführende Literatur:
WANZEN - beobachten-kennenlernen; v. E. Wachmann; ein Naturführer aus dem Neumann-Neumann-Verlag, 1989; wahrscheinlich nur noch gebraucht zu bekommen.
Wanzen - aus der Reihe "Die Tierwelt Deutschlands, 77. Teil"; v. Eckehard Wachmann, Albert Melber, Jürgen Deckert; Goecke & Evers, Keltern; 2006; deckt den Raum Deutschland, Österreich und der deutschsprachigen Schweiz ab. Insgesamt 5 Bände!
Mit sehr vielen sehr guten Fotos, nicht zur Bestimmung gedacht, aber mit vielen Infos. Ein hervorragendes Buch mit dem Zeug zum Standard-Jahrhundertwerk. Nicht billig, aber sehr lohnenswert. Es ist sein Geld wert!
Roland Günter ist Betreiber von Makrotreff und Chefredakteur von MAKROFOTO. Der Dipl. Forst-Ingenieur betreibt die Makrofotografie hauptberuflich und verwaltet ein umfangreiches biologisch-wissenschaftliches Bildarchiv.
Der Kern seiner Arbeit liegt in der Dokumentation biologischer Vielfalt. Zu diesem Themenkomplex werden seit vielen Jahren seine Fotos und Reportagen im In- und Ausland in vielen gängigen Zeitschriften und Buchproduktionen publiziert.
Einen weiteren Schwerpunkt seiner Tätigkeit bildet die von ihm auf professionelles Niveau gehobene künstlerisch-kreative Vintage-Makrofotografie – also die Fotografie mit alten Objektiven an modernen Sensoren. Unter anderem hat er den einzigartigen Multivisions-Vortrag Fotografie mit Flair – Malen mit der Kamera konzipiert und neben anderen Events bei den Internationalen Fürstenfelder Naturfototagen vor großem Publikum gehalten.
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