Es ist ein Kreuz mit der Glockenblume - Versuch einer Interpretation (5 Fotos)

Es ist ein Kreuz mit der Glockenblume
- Versuch einer Interpretation -

(Heute traue ich mich was. Ich "spiele" mal Roland.
Wenn es dich juckt, interessiert mich deine Meinung auch)

Diese Aufnahme einer Glockenblume gefällt mir persönlich besonders gut.
Zuerst habe ich nicht so richtig verstanden warum.
Das Motiv an sich, eine Glockenblume mit dem Schatten des Stempels in Form eines Kreuzes,
das Detail muss man erst mal sehen. Aber reicht das?

Klar, technisch gesehen ist sie wieder mal "überschärft".
Die Kanten der Blüte sind "scharfgerechnet" sprich der Kantenkontrast wurde angehoben.
Es entsteht ein Saum. Links an der Blüte sieht man das besonders deutlich.
Die Sony macht das wohl, weil ich das so eingestellt habe.

Was hat die Aufnahme, dass sie auf mich so anziehend wirkt?
Ist es das Kreuz?
Ist es das Hellblau auf grün?
Aber ein Motiv direkt in der Mitte - wirkt sonst meistens irgendwie spannungslos!
Gut, das Zentrum ist deutlich markiert, ja sogar angekreuzt und die Blütenblätter könnte man oben als Krone deuten.
Das Hellblau wirkt auch irgendwie "royal"?
Aber ist es wirklich das?

Also habe ich mich dran gemacht, das Motiv aus der Mitte zu holen,
das Foto zu spiegeln, ein Hochformat zu machen.
Alles was ich versuchte machte die Aufnahme nur schlechter.

 

Der Versuch einer objektiven Annäherung

Bei der Bildanalyse suche ich immer nach Linien, die der Aufnahme Struktur und Richtung geben.

Erster Ansatz: (Foto "Linien 1")
Die Linien von links unten nach rechts oben

Warum gerade die?
In unserer Kultur sind Linien von links unten nach rechts oben positiv besetzt.
Es geht aufwärts, am besten sieht man es vielleicht bei graphischen Darstellungen von Zahlenreihen.
Die Aktienkurse steigen, es geht aufwärts mit der Wirtschaft, alles von links unten nach rechts oben.

Manche Linien, subtil, sind kaum erkennbar aufwärtsstrebend zu einem imaginärem Punkt rechts oben.
Das wirkt, wie Sonnenstrahlen auf das Foto - und positiv.

Das Gegenteil, "Linien von links oben nach rechts unten" kann man sich denken, gibt's hier eigentlich nicht.

Zweiter Ansatz: (Foto "Linien 2")
Senkrechte Linien

Diese symbolisieren Stabilität, wie die Säulen eines griechischen Tempels.
(Schlechtes Beispiel, weil "griechisch" und "Stabilität" nicht richtig zusammenpassen,
aber die Tempel haben doch recht lange gehalten. Also bleiben wir dabei.)
Die Grashalme und der Blütenstengel, breit, senkrecht und eigentlich
ziemlich dominant stehen sie wie besagter griechischer Tempel im Bild.
Aber das wirkt langweilig, spannunglos.

Dritter Ansatz: (Foto "Linien 3")
Die Blüte selbst
Ein nach links geneigter Blütenkelch, in hellblauem Kontrast zum Rest, ist mit einem Kreuz versehen.
Hauptrichtung leicht links, Krone auf dem Haupt, die Mitte mit einem fetten Schattenkreuz markiert,
welches fast genau in der Mitte der Aufnahme trohnt.
Wirkung leicht negativ, weil nach links geneigt, wenn da nicht das Kreuz wäre und natürlich die hellblaue Kontrastfarbe.

Und jetzt alle Linien zusammen: (Foto "Linien 4")

Jetzt wird klar, warum das Foto so wirkt.
Es sind die Linien von links unten nach rechts oben!
Obwohl deutlich schwächer als die zentrale Blüte, dominieren sie doch das Bild.
Unbewußt erzeugen sie eine positive Grundstimmung.
Und sie zeigen jetzt auch deutlich, warum es so schwer ist, einen Bildausschnitt zu finden,
oder die Spiegelung des Bildes gar nicht geht!

Trotzdem hätte ich mir das Hauptmotiv nicht genau in der Mitte gewünscht,
aber alles auf einmal geht manchmal einfach nicht!

In diesem Sinne, Linien suchen.

Vielleicht gefällt mir deshalb "Graphosoma lineatum" ganz besonders?

Was mir ganz besonders klar geworden ist:
Kritiker zu sein ist ein harter Job. Von wegen "Roland spielen".
Sehen und formulieren dass klar wird, was gemeint ist und das so, dass es nicht herabwürdigend klingt.
Meine Achtung vor euch ist damit auch gestiegen.

Aber mal ehrlich, so viel habe ich bei der Aufnahme nicht gedacht.
Vieles läuft intuitiv ab, eingeschliffene Bildsprache im Laufe der Zeit.
Jeder hat seine individuelle Handschrift. Und das ist gut so!

 

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