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Vintage-Makrofotos von Tieren

Hallo Rob, hallo Ingo,

wir diskutieren häufig allgemeine Grundsätze, allgemeine Regeln. Selbstverständlich kommt es letzen Endes immer auf den Einzelfall, auf eine individuell gegebene Situation an. Das sind dann aber häufig die Spielflächen einzelner User. Wichtig ist, dass wir diese individuellen Spielarten nicht mit den allgemeinen Gesichtspunkten vermischen. Deshalb hier noch einmal – wir hatten das an verschiedenen Stellen bereits hier bei Makrotreff – ein paar Grundsätze zur Vintage-Makrofotografie von Tieren:

1.
Tiere haben Augen und Haare – beides möchte das menschliche Auge in Verbindung mit dem interpretierenden Gehirn "in der Regel" (das gilt bei meinen weiteren Ausführungen immer) möglichst scharf sehen. Aus diesem Grunde sollte man hierauf bei der Verwendung alter Objektive mit Offenblende besonderes Augenmerk legen – geringe Schärfeleistung insbesondere bei Offenblende ist einer der Schwachpunkte vieler Vintage-Objektive bei Offenblende.

2.
Die Verwendung alter Objektive wird in erster Linie gerechtfertigt durch die jeweilige Charakteristik der Unschärfendarstellung (Malen mit der Kamera); das ist der große Unterschied gegenüber modernen Objektiven – und die große Chance bei der Vintage-Makrofotografie von Tieren mit Augen und Haaren. Damit liegt ein besonderes Augenmerk – nochmals stärker als bei der Fotografie mit modernen Objektiven – auf dem Negativraum. Das ist ein ganz großes Thema bei unseren Vintage-Makroworkshops. Gabi hat dies oben bereits erläutert.
Dein oben eingestelltes Heuschreckenfoto zeigt einen recht attraktiven Trioplan-Hintergrund – aber auch einen relativ unattraktiven Unschärfe-Vordergrund auf etwa einem Viertel der Bildfläche – vorne malen die meisten Objektive nicht so attraktiv. Hier wäre die Lösung gewesen, die Heuschrecke im Bild etwas weiter nach unten zu schieben, den Bildausschnitt also insofern zu verändern, dass etwa die Hälfte des unscharfen Vordergrund nach oben ans Bild "angehängt" wird und damit noch mehr der relativ attraktiven Unschärfen im Hintergrund gezeigt werden. Dies würde das Foto nochmals deutlich aufwerten. Denn das Licht und die Schärfe auf dem Heuschreckenkopf passen. Dass dieses Foto aus der Sicht der allgemeinen Grundregeln ziemlich nahe an der Grenze liegt, beschreibt Gabi oben treffend. "Nahe an der Grenze" bedeutet auch, dass durchaus einige Parameter passen. Diese sind nun bereits genannt worden.

3.
Für die Fotografie von Tieren mit Vintage-Objektiven eignen sich insbesondere diejenigen alten Objektive, die auch bei Offenblende eine verhältnismäßig hohe Schärfe zeigen; dazu gehört auch beispielsweise das Trioplan 2.8/100mm. Dies zeigt schon alleine die Titelseite der MAKROFOTO-Spezial – Vintage-Makrofotografie. Bezüglich dieses Themas haben weitere Faktoren wie Kontraste und Licht eine große Bedeutung. Auch das ist ein großes Thema bei den entsprechenden Vintage-Makroworkshops. Das alles bis ins Detail aufzuführen, würde den Rahmen hier bei Makrotreff sprengen.

4.
Werden größere Tiere vintage-fotografiert, spielt die Beschaffenheit der jeweiligen Tiere eine große Rolle. Du sprichst Ingas und meine Fotos von Fröschen an. Frösche haben keine Haare! Das ist ein wesentlicher Vorteil, wenn man ihnen mit alten Objektiven auf die Pelle (glatte Haut!) rückt. Und die Schärfe liegt immer möglichst perfekt auf den (facettenlosen) Augen. [Anmerkung: Auch bei (guten) Vintage-Fotos beispielsweise von Katzen liegt fast immer der Fokuspunkt auf den Augen des Tieres, und die Haare des Fells verschwinden in (gewollter) Unschärfe.]
Wenn man sich Ingas und meine Fotos genau anschaut, wird man auch hier sehen, dass so gut wie immer ein besonders großes Augenmerk auf den Hintergrund und seine Strukturen gelegt worden ist. Also auch hier gilt: Die Hintergrundcharakteristik (das Bokeh) muss eindeutig den Einsatz alter Optiken rechtfertigen!
Gabis Heuschreckenfoto, das sie mit dem Trioplan 2.8/3.6cm gemacht hat, zeigt dies deutlich. Trotz relativ hoher Schärfe ist die Hintergrundcharakteristik  – obwohl dieses kleine Trioplan auch diesbezüglich herausragende Eigenschaften hat – nur wenig unterschiedlich gegenüber derjenigen einer modernen Optik. Gabi hat dies und die Gründe hierfür oben bereits beschrieben. Bei anderen individuellen Voraussetzungen wird das kleine Trio zum Vintage-Löwen :-)! Und genau auf diese Dinge muss man achten. Dabei muss man aber wissen, wohin man schaut, worauf es tatsächlich ankommt. Und hier helfen die allgemeinen Grundsätze.

Über all dem gilt:
Die Vintage-Makrofotografie von Tieren ist die klassiche "Einser-Bremse"– hier hängt die Latte sehr hoch!

(Auch das sollte man sich stets vor Augen halten, um zu große Enttäuschungen zu vermeiden.)

Ich hänge zur Verdeutlichung mal ein paar Fotos an:

Dieses Foto zeigt viel Umfeld um die Heuschrecke herum – mit "Mal-Charakteristik". Die Heuschrecke alleine kann ein modernes Objektiv besser!

Sony ILCE-7RM3, Ross Cine Lens 1.9/25mm, f/1.9, 1/1250s, ISO 100
 

Fliege mit Verdauungstropfen – dieses Foto, bei dem der Hintergrund nicht ganz so "gemalt" wirkt, weist ein anderes, offensichtliches Merkmal der verwendeten alten Optik auf: einen Zerstreuungskreis, wie ihn kein modernes Objektiv darstellen würde.

Sony ILCE-7RM3, Ross Cine Lens 1.9/25mm, f/1.9, 1/500s, ISO 100
 

Auf diesem Foto ist die Wildbiene sehr klein abgebildet. Der Raum um sie herum liefert die Bildwirkung – und die Rechtfertigung für den Einsatz des Vintage-Objektivs.

Sony ILCE-7M2, Wollensak Cine Raptar 1.5750mm, f/1.5, 1/100s, ISO 100
 

Ein Foto eines Teichfroschs, bei dem der Schärfepunkt auf den Augen liegt. Trotz markanter Perspektive und relativ großer Abbildung des Hauptmotivs liegt aufgrund der markanten Strukturen in Verbindung mit einem wirkungsvollen Licht ein "starkes", Objektiv-individuelles Bokeh vor – letztendlich die Rechtfertigung für den Einsatz des (sehr scharfen) Vintage-Objektivs.

Olympus E-M1 Mark II, Kino Plasmat 1.5/2cm, f/1.5, 1/1000s, ISO 200

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