Wege unter dem Pflug

Profile picture for user Frank Jäger
Makronist

Mit Makrofotos hat das folgende Konzept erst am Ende etwas zu tun. Ich hoffe, es stößt hier trotzdem auf Interesse bei Leuten, die dem Naturschutz verbunden sind und die vielleicht auch in Verbänden oder der Kommunalpolitik aktiv für den Naturschutz kämpfen.

Als Geoinformatiker bei einem Dienstleister für die Kommunalverwaltung in NRW haben wir eine Auswertung [1] gemacht, die  bei der Einrichtung von Blühstreifen an Wirtschaftswegen helfen soll.

Auswertung

Wirtschaftswege sind meist im Eigentum der Gemeinde. Typischerweise sind die Flurstücke im Kataster etwa 5 Meter breit wobei aber nur gut 2 Meter Breite als Fahrbahn befestigt sind. Im Laufe der Zeit kommt dann immer mehr vom Randstreifen unter den Pflug, bis die Fläche bis dicht an die Fahrbahn landwirtschaftlich genutzt wird.
Als Entschuldigung für die Landwirte sei erwähnt, dass die Grenzvermarkung an Feldern oft unterirdisch erfolgt und somit nicht sichtbar ist. Mit Mitteln der Geoinformatik kann diese mißbräuchliche Nutzung aber leicht nachgewiesen werden. Dazu vergleicht man einfach 2 Datenbestände:

  1. Die Gemeinde kann vom Katasteramt Daten des Liegenschaftskatasters bekommen, Verfahren ALKIS, Format NAS. Es muss die Flurstücks-Geometrie enthalten sein und die Eigentümerdaten. Die in NRW als "OpenData" veröffentlichten NAS-Daten sind nicht verwendbar, weil die Eigentümerdaten darin fehlen (Datenschutz). Gemeinden bekommen diese Daten in NRW fast kostenlos. Die Daten können mit einem Konverter [2] in eine Geo-Datenbank wie "PostGIS" importiert werden.
  2. Von der Landwirtschaftskammer [3] bezieht man die Feldblöcke. Das sind die von den Landwirten gemeldeten bewirtschafteten Flächen. Die Schlepper verfügen heute über GPS-Geräte mit einer Genauigkeit im cm- oder dm-Bereich. Damit können die Flächen ausreichend präzise ermittelt werden. Diese Flächen werden ebenfalls in die Geo-Datenbank importiert.

Nun führt man eine Verschneidung durch. Datenbank-Funktionen oder ein Programm wie "QGIS" können auswerten, welche Flächen sich gleichzeitig in einem Feldblock befinden und zu einem Flurstück gehören, dass im Eigentum der Gemeinde ist. Durch eine negative Pufferung (-10cm) und einen Filter auf Mindest-Flächengröße blendet man Bagatellfälle aus.

Man identifiziert damit manchmal Flächen wo 1 bis 2 Meter Breite eines Gemeinde-Flurstücks auf einer Länge von mehreren hundert Metern unter den Pflug gekommen sind. Im Kontext von Digitalen Ortho-Photos (DOP, Luftbilder) und Eigentümerauskunft in einem Kommunalen Geo-Informations-System (GIS) kann man diese Flächen dann näher betrachten.

Umsetzung

Nun hat die Geo-Informatik ihren Teil geleistet und Politik und Verwaltung sind an der Reihe. Die Gemeinde muss bereit sein, ihre eigenen Flächen von den Landwirten zurück zu fordern um sie in Blühstreifen umzuwandeln. Dieser Teil hat sich in der Praxis als der schwierigere heraus gestellt. Es fehlt die Motivation auf der Ebene der Sachbearbeiter. Etwas Lobby von Naturschutzverbänden könnte hier motivierend sein. Rat oder Verwaltungsleitung müssen das unterstützen.

Diese Randstreifen in unmittelbarer Nachbarschaft zu gedüngten und mit Pestiziden behandelten Flächen sind sicherlich nicht ökologisch wertvoll. Zwischen großflächigen Monokulturen von Raps oder Mais bilden sie aber eine Abwechslung mit ganzjährigem Nahrungsangebot, wenn sie entsprechend vorbereitet werden.

Wenn das Konzept umgesetzt wird, dann können wir in wenigen Jahren dort schöne Makro-Fotos am Ackerrand machen.

Links:

[1] https://www.krz.de/index.php?object=tx|2669.73&ModID=255&FID=2669.898.1  Sorry für den Titel, nicht meine Idee
[2] Konverter "ALKIS-Importer" http://norbit.de/68/  http://postnas.org
[3] https://www.landwirtschaftskammer.de/foerderung/feldblock/angebot/bestellen.htm

Kommentare

Profile picture for user janfo
Makronist

Grundsätzlich unterstützenswert. Allerdings habe auch ich die Kritik, wie schon in deinem Text angeklungen, dass diese Randstreifen ökologisch weniger Wertvoll sind, die Blühstreifen sind sicher eine Art Nektar- und Pollen Tankstelle, jedoch ersetzen sie natürlich keine auf natürlichem Wege entstandenen Biotope. Teilweise wirken sie sogar schädlich wenn standortfremdes Saatgut ausgebracht wird oder der Landwirt Insektizide einsetzt und somit die Insekten, die erst angelockt werden geschädigt werden.

Außerdem sollte der Blühstreifen auch erst im Frühjahr abgemäht werden, oder gar nicht. Da viele Insekten dort überwintern und auch den überwinternden Schmetterlingspuppen/Raupen würde man einen gefallen tun. Auch sollten solche Maßnahmen nicht als "greenwashing" genutzt werden sondern der Naturschutz muss noch viel tiefgreifender erfolgen.

Trotz dieser Kritikpunkte finde ich es unterstützenswert und die Gemeinden sollten alles in ihrer Macht stehende tun, um die Natur zu schützen. Das fängt auch schon damit an nicht ständig überall zu mähen, was ich leider noch viel zu oft beobachte.

Profile picture for user Roland

ADMIN

Es ist 5 nach 12!

Hallo janfo,

ich gebe Dir völlig Recht. Nun ist es wichtig, diese Argumente an die für Blühstreifen zuständigen Stellen mit Nachdruck weiterzugeben. Die von Dir angesprochenen Gemeinden und Landwirte müssen mit solchen kritischen Ansätzen konfrontiert werden, auch, wenn´s für sie ungemütlich wird, weil dadurch ganz andere Zielsetzungen wie beispielsweise greenwashing oder Ablenkung (vom weiterhin steigenden Gift- und Düngeeinsatz auf den Nahrungsmittelproduktionsflächen) offenkundig gemacht werden.

Wir haben keine Zeit mehr für Dinge wie leere Versprechungen, Vermeidung von Einbußen oder Schönreden. Nicht mal für Kompromissbereitschaft besteht Spielraum. Zu lange hat man die Natur vom Verhandlungstisch der Interessen ausgeschlossen. Das Rad wurde überdreht, und zwar gewaltig!

Liebe Grüße 

Roland

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Erstellt von norbertmichel@me.com (nicht überprüft) on Di., 06/04/2021 - 11:41 Permalink

Wir im Oldenburger Münsterland sind für jeden Blühstreifen dankbar, der die Gülle Meere der Bauern auf den Maisfeldern überdeckt. Bei uns sind viele Initiativen. Ich halte sie für sinnvoll, aber nur ergänzend zur vorhandenen Natur bringen sie einen Mehrwert. Wir freuen uns über jeden Schmetterling, Falter und Käfer der es geschafft hat die o.g. Gülle Meere zu überfliegen.

Leider wird auch damit ein Geschäft gemacht. Viele Bauern bieten Blühstreifen als Patenschaft an. Nochmal Geld, da das Saatgut ja kostenlos zur Verfügung gestellt wird. Meist sogar noch auf einem Gemeinde eigenen Stück. Leider fällt meist nach einem Jahr das Stück Blühstreifen wieder weg weil die Patenschaft nicht verlängert wurde. Das dann in Eigeninitiative fortzuführen bringt keine Kohle. 

Ich denke es wäre sinnvoll wenn ein bundesweites Projekt für mehr Naturprojekte stattfinden würde. Hecken und vieles mehr würde meiner Meinung nach helfen. Hier gab es in Makrotreff bereits einige sehr interessanten Artikel. Mehr als lesenswert. z.B. Makrotreff Ausgabe 8 "Artenvielfalt ist kein Luxus" und Ausgabe 9 " Akteure am Ackerrand" 

 

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ADMIN

Die Zerstörung geht weiter...

allo norbertmichel,

das Oldenburger Münsterland ist tatsächlich nicht gerade ein Aushängeschild für den Erhalt von Biodiversität in der freien, offenen Landschaft. Dafür wird bei Euch aber auf großen Flächeneinheiten vorbildlichst industrialisierte Landwirtschaft betrieben – mit der Folge, dass außer einer Handvoll Pflanzen- und nur unwesentlich mehr Tierarten allem Leben der Garaus gemacht wird. Das ist wirklich dramatisch – so, wie Du es schilderst.

Leider bist Du damit in guter Gesellschaft. So oder so ähnlich sieht es in den meisten Landschaften Deutschlands aus. Viele Menschen denken, augenscheinlich stärker strukturiertere Landschaftsbereiche stünden besser da, was die Arterhaltung anbetrifft. Dem ist zumindest vielerorts nicht so. Auch, wenn Hecken, Säume und so weiter vorhanden sind, genügen sie fast nirgendwo mehr den Ansprüchen reichhaltigen Lebens. Entweder sind sie so stark zurückgedrängt, verkleinert oder verstümmelt (Stichwort "Hecke"), dass viele Pflanzen- und Tierarten einfach keinen Raum mehr in ihnen finden. Oder aber die sie umgebenden Nutzungsflächen werden so stark begiftet, dass erst gar kein Zuzug von Tieren und Pflanzen mehr stattfinden kann. Zusätzlich driftet das auf unseren Nahrungsproduktionsflächen ausgebrachte Gift in diese "Restnatur-Flächen" und tötet oder verhindert dort biologische Vielfalt. Letztendlich ist egal, aus welchen Gründen das Leben ausgelöscht wird. Es WIRD ausgelöscht!

Es ist immer wieder makaber faszinierend, wie schnell und konsequent der Bauernverband jegliche Anmerkung von Biodiversitätsverlust in der Agrarflur mit dem Argument der Einnahme-Einbuße für Bauern wegkämpft. Was werden wohl in 10, 20 oder 40 Jahren die Menschen sagen, wenn sie hören, dass wir heute mit vollem Wissen weiterhin die Natur zerstören, um Einnahme-Einbußen der Bauern zu verhindern...!

Einige junge Menschen haben dies ja bereits heute erkannt – und gehen auf die Straße. Es sei denn, sie werden durch Corona-Auflagen daran gehindert.

Ich hörte kürzlich wieder als Gegenargument zur Biodiversitäts-Zerstörung durch die Landwirschaft: "Aber wir tun doch was! Letztens habe ich wieder einen Blühstreifen gesehen...". Ein toller Schachzug des Bauernverbands: langgezogene Blumensträuße entlang von einzelnen Feldern zur Rettung der mitteleuropäischen Artenvielfalt – und damit man weiterhin auf der Restfläche düngen und giften kann! Dieser gefährliche Unsinn wird also auch nicht nur im Odenburger Land betrieben, sondern ebenfalls überall in Deutschland.

Ich wünsche mir zusammen mit Dir, dass sich auch bei Euch zukünftig etwas ändern wird.

Liebe Grüße 

Roland

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Makronist

Danke Roland, nicht nur die Tierfabriken ( Schweine, Puten, Hühner) und Biogas machen uns und den Tieren das Leben schwer Anlagen sondern wir kämpfen auch noch mit hohen Nitrat Gehalten im Grundwasser. Wenn dies in den nächsten Jahren noch da ist. Denn durch einen der größten Gemüseanbaufirmen, Mählmann, wird im Umfeld  von uns Grundwasser in größten Mengen entzogen. Die Böden sind nach 3-4 Jahren nur noch Krümel und werden durch den Wind davon getragen. Dazu bekommen wir noch Überlandleitungen damit die Windenergie in den Süden kommt. Unsere Gemeinde klagt und klagt das wenigstens die Leitungen unter der Erde verbuddelt werden. Man sichert Zusammenarbeit zu - Pustekuchen. Alles schon von der Politik im Vorfeld erledigt. Wir sind nur Staffage um die Meinungsfreiheit zu beruhigen. Wir kommen nicht dagegen an, die Bauern- und Stromlobby ist zu stark. Leider. Und die Politiker - hier zählt nur das Mandat. Leider. Wir versuchen wenigsten ein unserem Garten alles zu tun um Lebensräume für Insekten und Vögel einzurichten.

Trotz allem wir versuchen es weiter. Nur zum Abschluss diese o.g. Infos Beste Grüße an euch. Norbert

Profile picture for user Ingo Heymer
Makronist

Hallo Frank,

du schreibst oben: "Im Laufe der Zeit kommt dann immer mehr vom Randstreifen unter den Pflug, bis die Fläche bis dicht an die Fahrbahn landwirtschaftlich genutzt wird. Als Entschuldigung für die Landwirte sei erwähnt, dass die Grenzvermarkung an Feldern oft unterirdisch erfolgt und somit nicht sichtbar ist."

Dazu kann ich nur sagen: Mein Leben lang beobachte dieses Phänomen mit Wut im Bauch und da bin ich nicht der einzige. Dem wird aber nirgendwo Einhalt geboten. Und ich habe noch nie, nie, nie einen Landwirt gesehen, der aufgrund der nicht sichtbaren Grenzvermarkung zu wenig umgepflügt hätte. Kürzlich habe ich einen an einen Wald grenzenden Acker gesehen, wo die Bäume am Waldrand nur noch auf 180° Äste hatten. Alles, was Richtung Acker wuchs, war brutalst entfernt worden, die "Schnittstellen" waren langfaserige Holzreste, es sah aus, als wären die Äste abgerissen worden. Und die Pflugspur verlief fast direkt an den Baumstämmen...

Dafür gibt es in meiner Welt keine Entschuldigung

Ingo

 

Profile picture for user janfo
Makronist

Ich bin eben auf eine Petition aufmerksam geworden, die ich unterzeichnet habe.

Diese Diskussion ist Themenbezogen, daher dachte ich wäre es gut den Link hier zu hinterlassen.

Es kann auch gerne ein neues Thema aufgemacht werden, wenn jemand möchte.

https://www.openpetition.de/petition/online/mehr-artenvielfalt-im-oeffentlichen-gruen

Ein wichtiges und meiner Meinung nach einfach umzusetzendes Anliegen, was schon sehr viel für die Natur bringen würde. Wenn nur die Gemeinden mitziehen.

lg Jan

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