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ADMIN

Hallo Sigi,

tja, so war und ist das mit dem Kreislauf der Fichtenforsten und der Borkenkäfer! Viele Waldbesitzer haben viele Jahrzehnte von diesem biologischen Irrsinn gelebt – weil sogenanntes Kalamitätsholz (darunter Fällt beispielsweise Holz aus Sturmwurf und Käferfraß) mit öffentlichen Geldern großzügig entschädigt wurde. Entschädigt – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen! Selbst verursachter Schaden wird mit öffentlichen Mitteln entschädigt. Hm, ich lass das jetzt mal so stehen...
 

Ein Waldsystem das in sich selbst entsteht, so wie es von Natur aus heranwächst hat meiner Meinung nach auch Zukunft und trotzt auch jeder Gefährdung, ...

Diesem Teilsatz von Dir stimme ich nicht ganz zu. Die globalen Veränderungen beeinflussen mittlerweile so stark unsere Ökosysteme, dass auch die noch halbwegs intakten allmählich in die Knie gehen. Oder formulieren wir es korrekter:

Ökosysteme wie beispielsweise unsere Ackerflur sind entweder bereits zusammengebrochen oder tun es gerade – aus unterschiedlichsten Gründen. Ein Hauptgrund hierfür liegt in den Folgen der industrialisierten Landwirtschaft (z.B. durch maßlose Düngung, rücksichtsloser Pestizideinsatz und Beseitigung sämtlicher Strukturen).
TREND: zunehmende Verarmung!

Ökosysteme wie beispielsweise Wiesen sind entweder größtenteils schlichtweg beseitigt worden oder leiden in hohem Maße unter ebenfalls mechanisierten und standardisierten Behandlungsverfahren. Hinzu kommt vielerorts die nach wie vor massive Düngung – ähnlich wie in der Ackerflur.
TREND: zunehmende Verarmung!

Auf diese beiden beispielhaft genannten Ökosysteme wirken nun zusätzlich die Folgen des Klimawandels: erhöhte Temperaturen, erhöhe Trockenheit, wahrscheinlich erhöhte (oder veränderte) Sonneneinstrahlung.

Nun zum Ökosystem Wald:
Bei uns gibt es keinen einzigen Quadratmeter Urwald mehr. Jeder Wald ist menschlich verändert. In winzigen Teilbereichen mag diese Veränderung einige bis viele Jahrzehnte zurückliegen (z.B. Naturschutzgebiete oder sogenannte Naturwaldreservate), aber angesichts des Alters eines Waldes (mehrere Hundert Jahre) liegt auf der Hand, dass dieser Zeitraum aus Sicht des Waldes relativ kurz ist.

Die sehr hohe Ökosystem-Stabilität, die ursprüngliche Wald-Ökosysteme aufweisen, ist also selbst in unseren naturnächsten Wäldern nicht mehr gegeben.
Weitestgehend verschont worden sind sie allerdings von Düngung und Pestizideinsatz.

Konfrontiert wurden sie jedoch mit den Folgen mittelstarker bis starker Bewirtschaftung: Pflanzung nicht autochthoner (= nicht biologisch heimischer) Pflanzen, fragwürdige Pflanzverfahren (negative Auswirkungen auf das Wurzelsystem), starke Bodenverdichtungen infolge Maschinenbefahrung, und in sehr hohem Maße nicht natürliche Alterszusammensetzung.
Letzter Punkt wird häufig übersehen, ist aber sehr wesentlich. Unsere Wälder verfügen nicht mehr über genügend altersunterschiedliche Bäume auf ein und derselben Fläche (sondern sind altersmäßig in "Beständen" getrennt und damit homogenisiert). Hinzu kommt, dass bereits ab dem höheren mittleren Alter (und damit dem kompletten oberen Alter) überhaupt keine Bäume vorhanden sind. Sie werden vorher gefällt. Wenn alte Bäume vorkommen, dann sind es Einzelexemplare, gezählt, mit Schildchen versehen und katalogisiert!. Das hat nichts mehr mit Wald oder Ökosystem Wald zu tun!

Dies alles führt zu einer deutlich stärkeren Destabilisierung des Ökosystems Wald, als landläufig diskutiert und zugegeben wird. Klar, all das, was ich in den Vorabschnitten aufgezählt und beschrieben habe, riecht man nicht (Düngung, Pestizide) und sieht man nur mit geübtem, sensibilisiertem Auge. Aber es ist dennoch da!

Und nun kommen auf das Ökosystem Wald – genau wie auf sämtliche anderen Ökosysteme – die oben beschriebenen Folgen des Klimawandels hinzu.

Sigi, auch ein Wald, der "aus sich selbst entsteht" und "wie von Natur aus heranwächst", wird nicht jeder zukünftigen Gefährdung trotzen. Die mitteleuropäischen Waldsysteme werden sich aller Voraussicht nach in Zukunft stark ändern. Wir müssen dieser Tatsache ins Auge sehen, sie akzeptieren. Und dann die Entscheidungen treffen, die notwendig sind. Und zwar sofort!

Passiert dies nicht, dürfen wir eine Sache nicht aus den Augen verlieren (und das stimmt ein wenig optimistisch): Viele Ökosysteme auf der Erde leiden, viele werden zerstört oder sind es bereits. Und hört der Mensch mit diesem Mist nicht sofort auf, wird es ihn irgendwann nicht mehr geben, dann hat er den bei weitem größten Teil seines Aufenthalts hier auf der Erde bereits hinter sich.
Und dann geschieht das Faszinierende, das, was die Erde mit ihrer wunderbaren Vielfalt hat entstehen lassen: Es werden sich neue Ökosysteme unter den dann herrschenden Bedingungen bilden, mit einer neuen Vielfalt – ohne Menschen.

Lieber Gruß,

Roland

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