Artenfrage zum Borkenkäfer-Buchdrucker

Hallo Roland!

Ich will ja nicht nerven, aber ich möchte es auch gerne wissen.:-) 

Habe gestern nochmal nach den Borkenkäfern geschaut, um vielleicht noch eine andere Art zu entdecken. Dabei habe ich viele Käfer gefunden, die an ihrem gezackten Hinterteil diese Tierchen herumtragen. Sind das jetzt Milben oder trägt er seine Brut so herum? Wenn das die Brut ist, dürfen wir uns über viel Nachwuchs " freuen". Die Bilder sind nicht sehr schön, aber ich glaube man kann es erkennen. Einer steckte in einem Sporengewächs. Das habe ich versucht zu stacken. Dies ging wegen den Lichtreflexen nur schlecht.

60mm,  teils Zwischenringe und Raynox 250

Liebe Grüße

Gabi

Kommentarbereich

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ADMIN

Hallo Gabi,

wieder einmal sehr interessant!

Beim Borkenkäfer handelt es sich (wieder) um den Buchdrucker (Ips typographus).

Und das, was sich da an seinem Hinterleib amüsiert, sind Milben, da liegst Du richtig.

Borkenkäfer tragen ihre Brut nicht mit sich herum, sondern legen irgendwo zwischen Rinde und Holz (mal mehr rinden-, mal mehr holzseitig) Fraßgänge an, an deren Rändern sie die Eier ablegen. Die schlüpfenden Larven fressen dann ebenfalls Fraßgänge, die mit zunehmendem Larvenwachstum immer dicker werden und am Ende in einer Puppenwiege münden. Dort verpuppen sich die kleinen Burschen (logisch, sonst hießen sie nicht Puppenwiege!). Diese Fraßgänge (Muttergang + Larvengänge) ergeben in der Regel ein artspezifisches sogenanntes Fraßbild.

Lieber Gruß,

Roland

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MOD

Hallo Roland,

für deine Erklärung bedanke ich mich wieder einmal ganz herzlich! :-)

Wenn Milbenbefall mit Schwächung gleichzusetzten ist, wäre das doch sehr gut, um die Population von Buchdruckern zu minimieren.Da war kaum ein Käfer ohne Befall.Dann würde sich doch das Ökosystem selbst helfen.

Wünsche dir noch eine schöne Woche.

Liebe Grüße

Gabi

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ADMIN

Instabile Ökosysteme

Hallo Gabi,

nein, das Ökosystem "hilft" sich nicht (mehr) auf dieser Ebene. Du sprichst die Räuber/Beute-Ebene an. Die gibt es natürlich, und die wirkt in der Regel auch "regulierend". In intakten Systemen spricht man von sogenannten Rückkopplungsschleifen (das ist ein Begriff aus der Systemforschung), die die Stabilität dieser Systeme gewährleisten: Gibt es viele Borkenkäfer, bauen sich auch die Populationen der Borkenkäfer-Feinde auf – so lange, bis es weniger Borkenkäfer gibt. In intakten Systemen wird auf diese Weise immer "rückgekoppelt".

In intakten Systemen!

Das Ökosystem Wald, wo Du die von Milben befallenen Borkenkäfer gefunden hast, ist nicht mehr intakt! Es befinden sich dort Baumarten (hier in dem Fall die Fichte), die unter natürlichen Voraussetzungen nicht in diesem Ökosystemen wären. Etwas einfach ausgedrückt: Die Fichten tun sich ohnehin recht schwer dort, die "Natur" hatte sich dort vor dem neuen Großen Durchmischen durch den Menschen für andere Baumarten entschieden.

Nun kommt der Klimawandel hinzu, der zur Zeit genau in die gleiche Richtung wirkt, die vorher der Fichte bereits ihre Grenzen aufgezeigt hatten: zunehmende Wärme und insbesondere zunehmend weniger Wasser! Spätestens nun kommt alles fürchterlich durcheinander – mit dem Ergebnis, dass die Fichte jetzt überhaupt nicht mehr klar kommt.

Dieses Ökosystem ist so stark gestört, dass innere Selbstregulationsmechanismen (wie z.B. die oben angesprochene Borkenkäfer-Schmarotzer-Beziehung) nicht mehr in der Lage sind, stabile Gleichgewichte herzustellen. Da entwickeln sich zwar weiterhin viele Feinde, wenn die Beute zunimmt, aber die stabilisierenden Rückkopplungseffekte bleiben aus; das System ist zu stark geschädigt. Die Regulation findet nur noch auf der Oberfläche statt.

Anders ausgedrückt: Egal, wie viele Milben, Raupenfliegen, Schlupfwespen oder Förster sich über die Heerscharen von Borkenkäfern hermachen, die Fichten sind extrem geschwächt, werden weiterhin vom Borkenkäfer gefuttert (weil sie zunächst einmal so stark geschwächt waren. Der Borkenkäfer kommt also als Folge einer anderen Ursache!) und werden auf kurz oder mittellang der Fichte bei Euch den Garaus machen. Anschließend werden weitere Baumarten folgen, den weiteren Baumarten werden wieder weitere folgen – und den weiteren der weiteren folgt irgendwann der Mensch...

So ist das nun mal in Zeiten, in denen der Mensch sich als den Mittelpunkt des Universums sieht.

Es lebe der Anthropozentrismus!

Lieber Gruß,

Roland

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MOD

Das ist ja gruselig!

Und ich dachte, da wäre ein kleines Fünkchen Hoffnung für " meinen" Wald in Sicht....Es sieht jetzt  schon sehr schlimm aus. Mir hat ein Forstmitarbeiter gesagt, dass hier in der Gegend die 4,5 fache Jahresmenge eingeschlagen worden ist. Die Prognosen sind recht düster, man rechnet in spätestens 2-3 Jahren mit dem Entstehen erheblicher Kahlfläche in unserem Gebiet. Was mich wundert, ist, dass die Menschen fröhlich umher wuseln, sich über den "Traumsommer" freuen ohne ein Gefühl oder Gespür zu haben, was da eigentlich passiert in der Natur, so ganz dicht um uns herum. Dabei ist es auf brutale Weise sichtbar geworden. Da kann man schon  den Mut verlieren!

Mein Tag ist jetzt leider nicht mehr schön :-(

meint

Gabi

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Makronist

Hallo Gabi,

zuerst mal hast du da spannende Dokumente vom Borkenkäfer geliefert, so hab ich das auch noch nie gesehen. Zumal ich in den 70ger Jahren bei der Arbeit in der Forstwirtschaft mit einer massiven Borkenkäferinvasion nach Sturmschäden monatelang zu Tage war. Nachdem dann der Borkenkäfer samt Sturm ganze Arbeit verrichtet hatte, holten sich zurecht die übriggebliebenen heimmischen Jungbäume wie die Buche u.ä. ihren Lebensraum zurück und da stehen die heute als gesunder Baumbestand.

Das was Roland so nachdrücklich beschrieben hat, trifft genau den Punkt worum es im Zusammenhang mit von Menschenhand gemachten Waldsystemen geht und welche Folgen daraus entstehen. Die Fichte ist ja kein heimischer Baum, so wie die Buche und andere, und durch die Auffortstungen mit Fichtenwäldern in dem Ausmaß wie du das in deinem Wald sehen kannst, kann nie ein gesundes Ökosystem bestehen auf Dauer.

Auch damals in den 70ger Jahren wurde in dem Baumschulen groß angelegte Fichtenkulturen produziert und später verpflanzt, ich hab das schon zu der Zeit nicht wirklich verstanden. Ein Waldsystem das in sich selbst entsteht, so wie es von Natur aus heranwächst hat meiner Meinung nach auch Zukunft und trotzt auch jeder Gefährdung, das kann aber die monotone Fichtenbewaldung nicht leisten, so wird eben irgendwann das passieren was du heute mit dem Borkenkäferbefall beobachten kannst. Vielleicht wirst du die Veränderung dieses Wandels auch in deinen Wäldern sehen, dann schließt sich der Kreis wieder.

Gruß Sigi

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ADMIN

Hallo Sigi,

tja, so war und ist das mit dem Kreislauf der Fichtenforsten und der Borkenkäfer! Viele Waldbesitzer haben viele Jahrzehnte von diesem biologischen Irrsinn gelebt – weil sogenanntes Kalamitätsholz (darunter Fällt beispielsweise Holz aus Sturmwurf und Käferfraß) mit öffentlichen Geldern großzügig entschädigt wurde. Entschädigt – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen! Selbst verursachter Schaden wird mit öffentlichen Mitteln entschädigt. Hm, ich lass das jetzt mal so stehen...
 

Ein Waldsystem das in sich selbst entsteht, so wie es von Natur aus heranwächst hat meiner Meinung nach auch Zukunft und trotzt auch jeder Gefährdung, ...

Diesem Teilsatz von Dir stimme ich nicht ganz zu. Die globalen Veränderungen beeinflussen mittlerweile so stark unsere Ökosysteme, dass auch die noch halbwegs intakten allmählich in die Knie gehen. Oder formulieren wir es korrekter:

Ökosysteme wie beispielsweise unsere Ackerflur sind entweder bereits zusammengebrochen oder tun es gerade – aus unterschiedlichsten Gründen. Ein Hauptgrund hierfür liegt in den Folgen der industrialisierten Landwirtschaft (z.B. durch maßlose Düngung, rücksichtsloser Pestizideinsatz und Beseitigung sämtlicher Strukturen).
TREND: zunehmende Verarmung!

Ökosysteme wie beispielsweise Wiesen sind entweder größtenteils schlichtweg beseitigt worden oder leiden in hohem Maße unter ebenfalls mechanisierten und standardisierten Behandlungsverfahren. Hinzu kommt vielerorts die nach wie vor massive Düngung – ähnlich wie in der Ackerflur.
TREND: zunehmende Verarmung!

Auf diese beiden beispielhaft genannten Ökosysteme wirken nun zusätzlich die Folgen des Klimawandels: erhöhte Temperaturen, erhöhe Trockenheit, wahrscheinlich erhöhte (oder veränderte) Sonneneinstrahlung.

Nun zum Ökosystem Wald:
Bei uns gibt es keinen einzigen Quadratmeter Urwald mehr. Jeder Wald ist menschlich verändert. In winzigen Teilbereichen mag diese Veränderung einige bis viele Jahrzehnte zurückliegen (z.B. Naturschutzgebiete oder sogenannte Naturwaldreservate), aber angesichts des Alters eines Waldes (mehrere Hundert Jahre) liegt auf der Hand, dass dieser Zeitraum aus Sicht des Waldes relativ kurz ist.

Die sehr hohe Ökosystem-Stabilität, die ursprüngliche Wald-Ökosysteme aufweisen, ist also selbst in unseren naturnächsten Wäldern nicht mehr gegeben.
Weitestgehend verschont worden sind sie allerdings von Düngung und Pestizideinsatz.

Konfrontiert wurden sie jedoch mit den Folgen mittelstarker bis starker Bewirtschaftung: Pflanzung nicht autochthoner (= nicht biologisch heimischer) Pflanzen, fragwürdige Pflanzverfahren (negative Auswirkungen auf das Wurzelsystem), starke Bodenverdichtungen infolge Maschinenbefahrung, und in sehr hohem Maße nicht natürliche Alterszusammensetzung.
Letzter Punkt wird häufig übersehen, ist aber sehr wesentlich. Unsere Wälder verfügen nicht mehr über genügend altersunterschiedliche Bäume auf ein und derselben Fläche (sondern sind altersmäßig in "Beständen" getrennt und damit homogenisiert). Hinzu kommt, dass bereits ab dem höheren mittleren Alter (und damit dem kompletten oberen Alter) überhaupt keine Bäume vorhanden sind. Sie werden vorher gefällt. Wenn alte Bäume vorkommen, dann sind es Einzelexemplare, gezählt, mit Schildchen versehen und katalogisiert!. Das hat nichts mehr mit Wald oder Ökosystem Wald zu tun!

Dies alles führt zu einer deutlich stärkeren Destabilisierung des Ökosystems Wald, als landläufig diskutiert und zugegeben wird. Klar, all das, was ich in den Vorabschnitten aufgezählt und beschrieben habe, riecht man nicht (Düngung, Pestizide) und sieht man nur mit geübtem, sensibilisiertem Auge. Aber es ist dennoch da!

Und nun kommen auf das Ökosystem Wald – genau wie auf sämtliche anderen Ökosysteme – die oben beschriebenen Folgen des Klimawandels hinzu.

Sigi, auch ein Wald, der "aus sich selbst entsteht" und "wie von Natur aus heranwächst", wird nicht jeder zukünftigen Gefährdung trotzen. Die mitteleuropäischen Waldsysteme werden sich aller Voraussicht nach in Zukunft stark ändern. Wir müssen dieser Tatsache ins Auge sehen, sie akzeptieren. Und dann die Entscheidungen treffen, die notwendig sind. Und zwar sofort!

Passiert dies nicht, dürfen wir eine Sache nicht aus den Augen verlieren (und das stimmt ein wenig optimistisch): Viele Ökosysteme auf der Erde leiden, viele werden zerstört oder sind es bereits. Und hört der Mensch mit diesem Mist nicht sofort auf, wird es ihn irgendwann nicht mehr geben, dann hat er den bei weitem größten Teil seines Aufenthalts hier auf der Erde bereits hinter sich.
Und dann geschieht das Faszinierende, das, was die Erde mit ihrer wunderbaren Vielfalt hat entstehen lassen: Es werden sich neue Ökosysteme unter den dann herrschenden Bedingungen bilden, mit einer neuen Vielfalt – ohne Menschen.

Lieber Gruß,

Roland

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Raus aus der Depression!

Hallo Gabi,

die meisten "Forstarbeiter", die Aussagen solchen Inhalts, wie Du es beschreibst, treffen, sprechen in der Regel das Drama eines wirtschaftlichen Verlustes an.

Glaub mir, dieser "Schmerz" ist locker verkraftbar angesichts der Tatsache, was die wirklichen Folgen dahinter sind. Aber fast alle Menschen befinden sich in einer Verdrängungsphase. Sie schieben die Wahrheit, die hinter unserem Handeln liegt, von sich. Die meisten denken immer noch "och, so schlimm ist das schon nicht", "das wird schon wieder", usw., versinken gegebenenfalls zusätzlich in eine Depression.

Hierin liegt die derzeit größte Gefahr! Denn damit beraubt sich die Welt-Gesellschaft jeglicher Korrektur! Da haben wir es wieder mit der Systemwissenschaft: Auch die Weltbevölkerung kann als System gesehen werden. Entstehen in diesem System Fehler (zum Beispiel im Umgang mit der eigenen Lebensgrundlage), würde eine klare Akzeptanz des Dilemmas, ein Bekenntnis der Fehlfunktion (Zerstörung der Lebensgrundlage) eine korrigierende Handlung auslösen. Dies wäre dann eine korrigierende Rückkopplung, ein positives Feedback – mit der Folge, dass endlich etwas Wirksames unternommen wird. Anstatt dessen wird verharmlost, geleugnet, abgelenkt und über Sandkastenthemen diskutiert – mit der Folge, dass alles so weitergeht wie bisher ("business as usual").

DAS ist die derzeit größte Gefahr – das Blockieren der regulierenden, korrigierenden Rückkopplung.

Deshalb ist es so wichtig, aufzustehen, zu sagen, wir wollen das nicht mehr! Wir müssen aus der Starre heraus, raus aus der Depression! Dann erst können wir handeln. Und dann WERDEN wir handeln, alles andere wäre unnatürlich. Also greifen wir es an!

Lieber Gruß,

Roland

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MOD

Lieber Sigi, lieber Roland!

Dieser Austausch  hier bei Makrotreff ist für mich immer sehr interessant, weiterführend und auch sehr wichtig zur Meinungsbildung. Ich danke euch für eure ausführlichen Kommentare.Es ist schön, festzustellen, dass man nicht ganz alleine dasteht , sondern auch andere Menschen sich intensiv  für dieseThematik interessieren und engagieren.Das macht Mut weiter zu kämpfen. Aber ich darf euch auch versichern, der Schmerz des Verlustes ist für mich schon recht groß. Deshalb finde ich dieses Forum sehr wichtig und gut.

Liebe Grüße

Gabi

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ADMIN

Hallo Gabi,

Dein Schmerz über den Verlust ist richtig, weil er real ist. Er ist da! Viele Menschen spüren ihn zwar nicht mehr, wollen ihn vor allem nicht spüren, aber dennoch ist er da. Es ist ein notwendiger Schritt, diesen Schmerz zu identifizieren und zuzulassen. Dann ist der Weg frei für die weiteren Schritte. Und am Ende steht das Handeln. Aber eben erst am Ende dieser Kette!

Bei meiner seit vielen Jahren bestehenden Arbeit wird mir zunehmend deutlich bewusst:

Wir werden die massiven Naturzerstörungen nicht beenden lernen ohne einen Haufen von Psychologen!

Lieber Gruß,

Roland

 

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