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ADMIN

Instabile Ökosysteme

Hallo Gabi,

nein, das Ökosystem "hilft" sich nicht (mehr) auf dieser Ebene. Du sprichst die Räuber/Beute-Ebene an. Die gibt es natürlich, und die wirkt in der Regel auch "regulierend". In intakten Systemen spricht man von sogenannten Rückkopplungsschleifen (das ist ein Begriff aus der Systemforschung), die die Stabilität dieser Systeme gewährleisten: Gibt es viele Borkenkäfer, bauen sich auch die Populationen der Borkenkäfer-Feinde auf – so lange, bis es weniger Borkenkäfer gibt. In intakten Systemen wird auf diese Weise immer "rückgekoppelt".

In intakten Systemen!

Das Ökosystem Wald, wo Du die von Milben befallenen Borkenkäfer gefunden hast, ist nicht mehr intakt! Es befinden sich dort Baumarten (hier in dem Fall die Fichte), die unter natürlichen Voraussetzungen nicht in diesem Ökosystemen wären. Etwas einfach ausgedrückt: Die Fichten tun sich ohnehin recht schwer dort, die "Natur" hatte sich dort vor dem neuen Großen Durchmischen durch den Menschen für andere Baumarten entschieden.

Nun kommt der Klimawandel hinzu, der zur Zeit genau in die gleiche Richtung wirkt, die vorher der Fichte bereits ihre Grenzen aufgezeigt hatten: zunehmende Wärme und insbesondere zunehmend weniger Wasser! Spätestens nun kommt alles fürchterlich durcheinander – mit dem Ergebnis, dass die Fichte jetzt überhaupt nicht mehr klar kommt.

Dieses Ökosystem ist so stark gestört, dass innere Selbstregulationsmechanismen (wie z.B. die oben angesprochene Borkenkäfer-Schmarotzer-Beziehung) nicht mehr in der Lage sind, stabile Gleichgewichte herzustellen. Da entwickeln sich zwar weiterhin viele Feinde, wenn die Beute zunimmt, aber die stabilisierenden Rückkopplungseffekte bleiben aus; das System ist zu stark geschädigt. Die Regulation findet nur noch auf der Oberfläche statt.

Anders ausgedrückt: Egal, wie viele Milben, Raupenfliegen, Schlupfwespen oder Förster sich über die Heerscharen von Borkenkäfern hermachen, die Fichten sind extrem geschwächt, werden weiterhin vom Borkenkäfer gefuttert (weil sie zunächst einmal so stark geschwächt waren. Der Borkenkäfer kommt also als Folge einer anderen Ursache!) und werden auf kurz oder mittellang der Fichte bei Euch den Garaus machen. Anschließend werden weitere Baumarten folgen, den weiteren Baumarten werden wieder weitere folgen – und den weiteren der weiteren folgt irgendwann der Mensch...

So ist das nun mal in Zeiten, in denen der Mensch sich als den Mittelpunkt des Universums sieht.

Es lebe der Anthropozentrismus!

Lieber Gruß,

Roland

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