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Die Sache mit den Lausfliegen

Hallo Gerhard,

Hirschlausfliegen sind zu Zecken sehr unterschiedlich. Die Aussage, dass sie ohne genauere Kenntnisse mit einer Zecke verwechselt werden können, ist relativ. Bedenkt man allerdings, dass die meisten Menschen heutzutage ein Reh nicht mehr von einem Hirsch oder einen Dompfaff nicht von einem Rotkehlchen, geschweige denn eine Wanze von einem Käfer unterscheiden können, dann trifft die Aussage bezüglich der Unterscheidungskompetenz von Zecken und Hirschlausfliegen wohl zu.

Hirschlausfliegen sehen völlig anders aus als Zecken. Ich habe nur noch ein uraltes Foto einer solchen Hirschlausfliege, ich muss mal ein neues machen; dann stelle ich es ein :-).

Zur Einschätzung ihrer "Gefährlichkeit"

Lausfliegen übertragen nach heutigem Wissen keine Krankheiten an den Menschen. Es gibt viele verschiedene Lausfliegenarten (die Hirschlausfliege ist eine davon), die alle wirtsspezifisch auf Warmblütler spezialisiert sind. Das heißt, die eine Art beispielsweise parasitiert nur an Schafen, die andere an Schwalben und Mauerseglern, die dritte an Rehen, Hirschen und Wildschweinen (Hirschlausfliegen) usw.

An ihren Wirten nehmen sie über einen Biss in die Haut Blut auf. Dabei verankern sie sich in der Stichwunde – was wahrscheinlich der Grund ist für die bereitwillige Verwechslung mit Zecken :-).

Ein wesentlicher Unterschied zu Zecken ist die Art und Schnelligkeit ihrer Fortbewegung: Mit ihrem superflachen Körper sitzen sie flach angedrückt auf der Haut des Wirtes und können mit ihren kräftigen Beinen unglaublich schnell vorwärts, rückwärts und seitlich durch die Haare oder Federn turnen. Dabei ist es nur sehr schwer möglich, sie von der Haut abzuheben. Zecken laufen dagegen sehr langsam.

Manche Lausfliegen sind wesentlich weiter verbreitet, als wir Menschen das vermuten mögen. Ich habe beispielsweise noch keine einzige Schwalbe und auch noch keinen Mauersegler gefunden, in deren Gefieder nicht mehrere Familien der auf sie spezialisierten Mauerseglerlausfliegen wohnten. Solche Wirt-Parasit-Beziehungen sind im Tierreich weit verbreitet. Nur der Mensch hat sich ihnen (den Parasiten im Allgemeinen) aufgrund der hohen Hygienestandards erfolgreich entledigt – zumindest weitestgehend und in unseren Regionen. Das heißt also, viele Lausfliegenarten und -individuen leben in hoher Zahl unbemerkt um uns herum.

Situation für den Menschen

Es gibt keine "Menschenlausfliege" oder so was ähnliches. Das deutet bereits darauf hin, dass es keine auf den Menschen spezialisierte Lausfliegenart gibt. Geht dieser Kelch nun damit an uns vorüber?

Nicht so ganz. Auf Wirtssuche befindliche Lausfliegen reagieren auf Wärme und werden daher von Warmblütlern angelockt. Und der Mensch ist so ein Warmblütler. Es geschieht also leicht, dass eine Lausfliege auf ihrem Suchflug die Wärme eines Menschen spürt und mal schnell gucken geht, ob das was für sie ist. Dazu landet sie auf dem Menschen – um dann nach einiger Zeit festzustellen, dass sie dort nicht glücklich wird.

Aber diese Begegnung ist bereits nur bedingt angenehm. Die Lausfliegen landen mit Vorliebe im humanen Haupthaar (natürlicher Lebensraum Haare und Federn). Dort kriechen sie dann sofort auf die Kopfhaut, an der sie sich dicht anlegen. Sehr gerne machen dies beispielsweise die Hirschlausfliegen, die flugfähig sind. Sobald sie in der Human-Frisur landen, werfen sie – in dem für sie leider tödlichen Glauben, beim "richtigen" Wirt gelandet zu sein – ihre Flügel ab, damit sie im Haarkleid wendiger umherlaufen können. Dieses Rumturnen ist nicht von höchst "Angenehmlichkeit" für uns Menschen :-); wir spüren recht deutlich, wenn die Lausfliege flach auf der Kopfhaut umherläuft.

Dann kommt das zweite Problem: Das Entfernen, bzw. besser gesagt der Versuch des Entfernens der Lausfliege aus dem eigenen Schopf. Ich habe oft schon Stunden gebraucht, bis ich die sich flach auf die Kopfhaut drückende und dabei schnell von recht nach links und vor und zurück flüchtende Lausfliege mit zwei Fingern zu greifen bekam. Und den nächst besten Passanten zu bitten, diese Arbeit im eigenen Haarkleid zu übernehmen, ist auch nicht prickelnd angenehm.

Und nun die dritte Herausforderung: Die Lausfliegen beißen den Menschen. Nochmal: Sie beißen ihn, sie saugen ihm aber kein Blut ab! Ich konnte noch nicht genau ergründen, warum sie beißen. Zur Diskussion stehen zwei Motive:

  • Entweder sie erkennen erst über den Biss und den dadurch erfahrenen, nicht erwarteten Geschmack, dass sie beim falschen Wirt gelandet sind (ein Mensch schmeckt etwas anders als ein Wildschwein).
     
  • Oder sie sind nach dem Abwurf ihrer Flügel kurz nach der Landung im Haargeflecht so verzweifelt über die irgendwann über sie kommende Erkenntnis, dass sie beim falschen Wirt gelandet sind, diesen aufgrund ihrer Flügellosigkeit nun aber nicht mehr verlassen können, dass sie vor Verzweiflung, vielleicht auch aus Wut, ihn erst einmal ordentlich beißen, gegebenenfalls in der Hoffnung, dass er besser schmeckt als erwartet.

Wie dem auch sei: Der Biss ist echt ätzend! Habe ihn schon unzählige Male erleben dürfen und dadurch tatsächlich eine leichte Abneigung gegenüber diesen ansonsten unschuldigen Tierchen mit interessanter Lebensweise entwickelt.
Ähnlich wie Mücken und Bremsen spritzen die Lausfliegen beim Biss in die Haut als erstes ein Antigerinnungsmittel in die Wunde, damit das Blut nicht infolge der Abkühlung sofort gerinnt – und ihnen damit ihre Mundwerkzeuge verklebt. Ist ja auch tatsächlich eine sehr unschöne Vorstellung, wenn so eine Lausfliege stundenlang damit beschäftigt wäre, ihren Kiefer von hart gewordenen weißen und vor allem roten Blutkörperchen zu reinigen.

Dieses Antigerinnungsmittel reizt die Haut. Es kommt zur Rotfärbung, einer etwa mückenstichgroßen Anschwellung und – zumindest bei mir – zu einer Verhärtung. Und diese verhärtete Anschwellung hält sich super hartnäckig über viele Tage, juckt wie Hulle und erinnert einen somit immer wieder an den ehrenwerten Gast im eigenen Haarkleid. Das ist wirklich ein bisschen nervig.

Aber ansonsten tun die Lausfliegen uns Menschen nichts. Es kommt zu keiner Parasitierung. Ihr Besuch ist nur ein Irrtum. Am Ende einer solchen Begegnung stehen immer zwei Verzweifelte.

Lieber Gruß,

Roland

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