Schattensegler

Die Rucola-Blüten öffnen sich in den Morgenstunden lang vor dem ersten Sonnenstrahl und waren im Spätsommer ein beliebter Frühstücks-Treffpunkt für verschiedene Fluginsekten. Ich vermute, dass es sich hier um die Gemeine Stiftschwebfliege (Sphaerophoria scripta) handelt. Sicher bin ich mir nicht.

Eigentlich hatte ich nicht genug Licht für eine Flugaufnahme und musste bei Blende 2,8 noch ISO 1250 einsetzen für eine immernoch zu dunkle Aufnahme mit starkem Bildrauschen. Durch das Entrauschen gingen leider Details verloren. Aufhellen war zudem nötig. Mit einem ABM von 1:2 und 85mm Brennweite kommt bei diesem Blendenwert eine extrem dünne Schärfe zu Stande, die fast schon zu unnatürlich wirkt. Ich wollte meinen Versuch mit dem kleinen Schattensegler dennoch gerne zeigen.

ABM etwa 1:2, APS-C, 1/2000s, f/2,8, ISO1250, Meike Makro 85mm, Bild in Originalhöhe (quadratischer Beschnitt)

 

Kommentarbereich

Profile picture for user janfo
Makronist

Gefällt mir gut die Aufnahme!

Die unscharfe Blüte und das sanfte Grün im Hintergrund und die Schwebfliege im Flug

Eine genaue Bestimmung wird allein durch diese Aufnahme schwer, aber ein gutes Erkennungszeichen ist es,  ob die Augen direkt aneinander sind oder es einen Abstand gibt.

Profile picture for user Wolfgang Zeiselmair

MOD

Grüß Dich Rob,

wer es nie versucht hat kann das Bild gar nicht richtig wertschätzen. Schwebfliegen "stehen" nur vermeintlich in der Luft und warten auf Fotografen. Immer wenn man abdrückt hat man nur ein verwischtes Motiv auf dem Sensor. Bei Dir sitzt die Schärfe punktgenau - ein Gedicht.

Servus
Wolfgang

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MOD

Ein feines Bild, Rob!

Die Flügel der Schwebfliege schauen für mich aus wie gefederte Vogelschwingen. Auch die einzelne gelbe Blüte darunter in der Unschärfe ist sehr schmückend und hat eine tolle Bildwirkung.Das hat was. Gefällt mir richtig gut.

Liebe Grüße

Gabi

 

Profile picture for user Rob
Makronist

Hallo zusammen,

vielen Dank für die netten Kommentare! Es ist definitiv auch Glück, wenn die Schärfeebene so hinten an den Augen (Lichtkante) abschließt, während die Fühler vorne unscharf sind. Ich hoffe, ein ähnliches Bild nochmal unter besseren Lichtbedingungen hinzubekommen. 

Schöne Grüße

 

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Makronist

... und bis dahin könntest du den kleinen Stiel noch eliminieren, der sich mit seinem Schärfegrad zwischen scharfer Fliege und wunderbar weich-verschwommener Blüte bewegt und dadurch Aufmerksamkeit abzieht. Vielleicht ist dann sogar ein Top-Foto drin!

Viele Grüße

Mainecoon

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Makronist

Hallo Mainecoon,

vielen Dank für den Hinweis! Der Stiel ist echt zwischen den Welten und dadurch störend. Ein Top-Foto ist das aber aus meiner Sicht keinesfalls. Ich bin so nah dran, dass die Augen voller Details sein sollten und das sind sie aufgrund der schlechten Lichtbedingungen nicht.

Schöne Grüße

Rob

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ADMIN

Hallo Rob,

ja, das ist ein sehr gut gelungenes Top-Foto. Ich schließe mich hier allerdings dem Einwand Mainecoons an, was diesen kleinen Stiel am unteren Bildrand betrifft. Ansonsten

GRATULATION zu diesem TOP-Foto!

In diesem Sinne weiterhin "Gut Licht"

Roland

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Makronist

Hallo Roland,

willkommen zurück in der Makrowelt! Offenbar hast du dich erfolgreich durch den Technik-Dschungel geschlagen. 

Vielen Dank für die Bewertung! Manchmal tue ich mir noch schwer, die eigenen Bilder einzuschätzen. Vielleicht habe ich einfach zu viele gemacht und wurde etwas "betriebsblind". Du hattest ja mal angesprochen, dass Schärfe auch relativ gesehen wird und da der Rest des Bildes (bis auf den störenden Stengel) sehr unscharf ist, genügt vermutlich die Schärfe auf dem Kopf bei diesem Bild und der Verlust von Details wird "verschmerzbarer". Ich habe noch einige Flugaufnahmen, die, was die Schärfe anbelangt, wohl an der Grenze (zum Papierkorb) sind. Wo diese Grenze aber genau liegt kann ich einfach noch nicht einschätzen. Dafür fehlt mir noch die Erfahrung. 

Herzliche Grüße

Rob

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ADMIN

Schärfen und Unschärfen

Hallo Rob,

wo die Grenze von Schärfe- zu Unschärfeanteilen liegt, kann man bzw. sollte man nicht allgemein festlegen. Aber nähern wir uns mal von einer anderen Seite diesem Thema:

Schärfe als "Lenkungs"-Mittel

Die Festlegung des Schärfepunkts auf einen bestimmten Bildbereich ist eines der Mittel, mit denen der Fotograf den Blick des Bildbetrachters lenkt. Es ist fast so wie die Aufforderung an den Bildbetrachter: "Hier sollst Du hinschauen". Somit ist klar, dass in der Regel die Schärfe auf das Hauptmotiv bzw. Teile davon gelegt wird. Denn das Hauptmotiv ist ja genau das, was ein Fotograf in der Regel dem Bildbetrachter vorrangig zeigen möchte.

Die Absicht des Fotografen

Es mag banal klingen, aber somit ist es wichtig, genau diese Absicht bewusst zu definieren: Was will ich als Fotograf vorrangig dem Bildbetrachter zeigen? Vorrangig! Also in erster Linie, oder anders formuliert, als oberstes Ziel. Das ist wichtig! Denn "oberstes Ziel" muss nicht unbedingt das gesamte Hauptmotiv sein. Es können beispielsweise auch nur Teile des Gesichts, gegebenenfalls sogar nur die Augen als das Wichtigste innerhalb eines Gesichts, sein.

Beispiel Schwebfliegenbild

Und damit sind wir bei der Schwebfliege im Flug. Sie schaut in Richtung Bildbetrachter. Somit ist der Augenkontakt das Wichtigste, was hergestellt werden sollte. Da bei einer Schwebfliege aus dieser Perspektive die Augen das Größte im Gesicht sind bzw. die größte Fläche im Schwebfliegengesicht einnehmen, muss hier nicht nur die Schärfe hin, sondern sie ist vom Bildbetrachter auch sehr schnell als solche erkennbar. Damit ist dem oben genannten Hauptziel genüge getan.

Unschärfen zur Unterstützung von Schärfen

Nun stellt sich die nächste Frage: Wie kann ich den Fokus des Bildbetrachters möglichst exklusiv genau auf diese großen, attraktiven Schwebfliegenaugen lenken? Eine Möglichkeit hierzu ist, den Rest des Bildes in Unschärfen zu legen, also für wenig Ablenkung auf den übrigen Bildflächen zu sorgen. Unschärfen eignen sich somit hervorragend als stilistisches Mittel.

Genau das hast Du oben im Bild gemacht: Blende auf (damit auch die kurze Verschlusszeit ermöglicht), den Schärfepunkt exakt auf die Facettenaugen gelegt, und die gelbe Blüte im Hintergrund, die dem ganzen Foto die Erdung verleiht (ansonsten würde die Schwebfliege in der großen Leere des Kosmos herumfliegen), in eine angenehme Unschärfe gelegt. Diese Unschärfe nimmt ihr die dominierende Wirkung weg, die sei schon alleine aufgrund der hellen, knalligen Farbe hat. Absolut klasse ist, dass die Unschärfe nur so unscharf ist, dass die Blütenform dennoch erkennbar bleibt und somit dort nicht irgendein Fleck im Bild hängt, sondern eben – deutlich erkennbar – eine Blüte, die für Erdung sorgt.

Und was hat das alles mit Spagetti zu tun?

Und damit kommen wir – fast automatisch – zu Loriots Spagetti :-). Mit dem kleinen Stiel am unteren Bildrand, den ich retuschieren würde, verhält es sich ein wenig so wie mit dem kleinen Spagetti-Stück auf Evelyns Wange im berühmten Loriot-Sketch: Einmal entdeckt, schaut man immer wieder dorthin. Der Betrachterblick wird fast magisch davon angezogen. Warum? Weil er genügend Schärfe aufweist, um eine gewisse Abbildungsdominanz zu bekommen.
Betrachte diesen Aspekt unter der oben formulierten Frage: Was will der Fotograf dem Bildbetrachter zeigen? Dieses überproportional dominante Stück "Spagetti"? Nein, sicherlich nicht. Also muss ihm die Dominanz genommen werden – Mittel hierzu sind mehr Unschärfe (im Nachhinein nicht mehr beeinflussbar) oder eben, wie bei diesem Beispiel hier, wegretuscheln.

Wie gesagt, das mag alles etwas banal klingen, was ich hier schreibe. Aber es geht immer wieder um die Wahrnehmung des Bildbetrachters. Und diese lenkt der Fotograf. Also ist es sehr zielführend, sich als Fotograf völlig bewusst solche Gedanken über die eigene Absicht zu machen bzw. sich solche Gedankenketten mal Stück für Stück bewusst aufzubröseln. Das habe ich jetzt und hier mal beispielhaft gemacht. Damit ergibt sich in der Regel, wie man bei einem Motiv jeweils mit Schärfen und Unschärfen umgeht.

Liebe Grüße

Roland

Profile picture for user Rob
Makronist

Hallo Roland,

vielen Dank für den tollen Input! Es gibt unheimlich viel zu lernen. Manchmal raucht einem der Kopf, denn es braucht einfach seine Zeit, bis diese vielen Prinzipien erfasst, verstanden und ausprobiert wurden.

Bei meinen Flugaufnahmen ist, aufgrund der "Unruhe" der Situation, insbesondere die Komposition und die "Schärfe als Lenkungsmittel" für mich wirklich herausfordernd. Allzu schnell drängt sich etwas in den Schärfebereich und oft sehe ich es leider erst dann am Rechner. 

Ich habe das Bild nochmal "Spaghetti-frei" gemacht ;-)

Herzlichen Gruß

Rob

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