Ein Vormittag mit "Magda" der Misumena vatia

Sonntagmorgen 5.30 Uhr. Soeben hat mich „Bella“, meine British Kurzhaar, geweckt. Noch nicht ganz munter, mache ich mir eine Tasse Kaffee und gehe auf die Terrasse. Ich genieße die frische Luft mit einem Hauch Kaffeeduft und die morgendliche Ruhe, wenn fast alle noch schlafen. Langsam werde ich, meinen Kaffee schlürfend, munter.

Mein Blick schweift durch den Garten und bleibt an den schönen gelben Tulpen zu meiner Rechten hängen. Was war das? Mir fiel ein Faden Spinnseide auf, welcher sich von einer Tulpe zur Hecke hin spannte. Das musste genauer betrachtet werden. Ich hatte da so eine Ahnung…

Behutsam näherte ich mich, mit suchendem Auge, der Tulpe. Plötzlich war ich hellwach.

Am gelben Blütenblatt erblickte ich eine etwa 7mm große gelbe Krabbenspinne (Misumena vatia). Ich stiefelte ins Haus, bewaffnete mich mit Stativ und Kamera und setzte mich vor die Blüte der Tulpe.

Doch offenbar war „Magda“, die Misumena vatia, eine ausgesprochene Diva. Denn, egal auf welcher Seite der Blüte ich mich positionierte,

Magda erspähte mich wachsamen Auges, und lief auf die Gegenseite der Blüte. So ging es eine ganz Weile hin und her, sodass ich mich entschied die Spinne vorerst in Ruhe zu lassen. Ein wenig enttäuscht, wegen des nicht bekommenen Fotos, war ich dennoch amüsiert über dieses Verhalten der Spinne und schmunzelte vor mich hin.

Als ich am Montagmorgen, von Bella geweckt wurde und aufgestanden war, begab ich mich sogleich zur Tulpe.

Wie ich feststellen musste hatte Magda über Nacht die Blüte gewechselt. Ich setzte mich wieder vor die Blüte. Wieder lief Magda zu anderen Seite der Blüte. Aber an diesem Morgen blieb ich vor der Blüte sitzen und beobachtet die Spinne einfach. Allmählich schien sich Magda an meine Anwesenheit zu gewöhnen und ging zum „Alltag“ über.

Alle paar Minuten wechselte sie die Position auf der sich im Wind hin und her bewegenden Blüte, wie ein Posten auf einem Wachturm, Ausschau haltend nach potentieller Beute und trotzdem immer eines ihrer acht Augen auf mich gerichtet.

Die vier vorderen, kraftvollen Beine wie eine Zange bereithaltend, bewegte sich Magda mal vorwärts, mal rückwärts. Besonders interessant fand ich die Seitwärtsbewegung. Mit den vorgehaltenen Vorderbeinen sah sie damit tatsächlich wie eine Krabbe aus.

Überaus beeindruckt war ich in einem Moment der Unachtsamkeit meinerseits. Denn als ich mit meinem Schuh leicht von der Einfassung meines Beetes, etwa 2cm, abrutschte, wurde diese leichte Erschütterung von Magda sofort registriert und mit dem Aufsuchen eines sicheren Platzes quittiert.

Nachdem „Magda“, die Misumena vatia“ und ich etwa 5h des Vormittags miteinander verbrachten, reckte sie plötzlich ihren Hinterleib in die Höhe. Ich bekam einige Spinnfäden ab. Nach einigen weiteren Fotos dann nochmal dieselbe Aktion. Sie reckte ihren Hinterleib in die Luft. Dieses Mal aber in Richtung Hecke. Der Faden verfing sich in der Hecke. Offenbar konnte sie die Richtung des Fadens trotz des Windes etwas beeinflussen. Ich konnte beobachten wie „Magda“ den Faden, scheinbar auf einem Bein stehend, zum Teil wieder „aufwickelte“. Sie stieg auf den Faden und hatte in etwa 4 - 5 Sekunden die Kluft zwischen Tulpenblüte und Hecke überwunden und war in der Hecke verschwunden. Wenig später habe ich den Faden gemessen. Er war 1,40 m lang und hatte einen Neigungswinkel von geschätzten 30°.

Mich interessierte nun was es für mich bedeuten würde wenn ich diese Leistung erbringen müsste.

Also setzte ich die Größe der Spinne und die Länge des Spinnfadens mit meiner Größe ins Verhältnis.

Ich müsste demnach ein etwa 340 m langes Seil mit einem Neigungswinkel von geschätzten 30° über eine ca. 400 m tiefe Schlucht in 4-5 s überqueren. Schon aus diesem Blickwinkel heraus habe ich vor solch einer Leistung der Natur und natürlich auch vor „Magda“ der Misumena vatia einen großen Respekt.

Bild1: Blende: f/8; Zeit: 1/160;  Bild 2: Blende: f/10; Zeit: 1/200; Bild 3: Blende: f/10; Zeit: 1/200;

Bild 4: Blende: f/10; Zeit: 1/160; Bild 5: Blende: f/10; Zeit: 1/160

Für alle Bilder ISO 200 und die Canon EOS 1300D mit dem Laowa 100mm Makro

Liebe Grüße

Dirk

Kommentarbereich

Profile picture for user Mainecoon

Makronist

Hallo, Dirk,

Respekt! Für deine Geduld, für die ausgerechnete Äquivalenz und vor allem für die bei Gelb nochmals schwieriger zu erreichende Schärfe, und das mit dem Laowa! Ich habe es auch an meiner Sony, und ich kämpfe mit ihm.

Schöne Fotos sind dir gelungen!

Viele Grüße

Mainecoon

P.S. Gruß und Krauleinheit an Bella!

Profile picture for user Rob
Makronist

Hallo Dirk,

super Bilder und super Dokumentation der veränderlichen Krabbenspinne! Ich finde, du hast das Tier wunderbar in seinem Lebensraum abgebildet. Die Abstufung der Gelbtöne gefällt mir richtig gut.

Spannend auch zu lesen, wie du an die Sache ran gegangen bist und welche Verhaltensweisen du beobachten konntest. Da kann man sich toll reinversetzen.

Vielen Dank & schöne Grüße

Rob

Profile picture for user Flora1958

MOD

Hallo Dirk!

Eine äußerst spannende Geschichte zum Geschehen. Wenn man mit dem Lesen beginnt hofft man sehr, dass der Spinne und dir ein ( fotografisches) Treffen gelingt. Und so ist es dann ja auch gekommen. Ein Magda-Märchen ist wahr geworden. Eine prima Bildreihe ist entstanden.Und deine Geduld  zum Durchhalten, Respekt!

Übrigens: Deine superschöne Katze trägt ihren Namen zu Recht und ich glaube sie weiß das auch.*schmunzel

Liebe Grüße

Gabi

Profile picture for user Roland

ADMIN

Hallo Dirk,

eine klasse Geschichte! Sie erzählt nicht nur von Magda, der gelben Spinne auf gelbem Grund. Sie erzählt auch von Einem, der total begeistert ist von Magda, der gelben Spinne auf gelbem Grund :-).

Es ist toll zu lesen, mit welcher Faszination und Zuneigung Du die lange Zeit mit dieser Krabbenspinne verbracht hast. Da springt beim Lesen mehr als ein Funke rüber...

Die fotografische Schwierigkeit, die ein gelbes Motiv vor gelbem Hinter- bzw. auf gelbem Untergrund darstellt, ist oben schon angesprochen worden. Hier muss man insbesondere Überbelichtungen möglichst vermeiden. Die beiden letzten Fotos zeigen leichte Ausreißer auf dem gelben Spinnenkörper. Das ist sehr tückisch. Meist ist es ratsam, bei solchen Verhältnissen eher etwas knapper zu belichten.

Klasse ist das Foto der Krabbenspinne in Abwehrstellung vor den Staubgefäßen im Inneren der Tulpenblüte. Gefällt mir sehr gut. Und dann noch diese Story dazu...!

In diesem Sinne weiterhin "Gut Licht" 

Roland

Profile picture for user Dirk
Makronist

Hallo Roland,

ganz lieben Dank für Dein Feedback. *freu* :-)

Ja ich bin sehr fasziniert von diesen Tieren.

Ich hab gar nicht mitbekommen wie schnell die Zeit vergangen ist. Es hat Mega Spaß gemacht.

Liebe Grüße

Dirk :)

 

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich angezeigt. Deine Emailadresse ist nötig, um Dich über neue Antworten zu informieren.