Baldachinspinne Linyphia triangularis – Wollensak Raptar 3.8/152mm

Ich experimentiere zur Zeit mit Vintage-Objektiven am Baldachin-Netzteppich der Baldachinspinne Linyphia triangularis. Sie gehört zu den bei uns häufigsten Spinnen. Im September/Oktober – also im Altweibersommer – findet man vor allem früh morgens überall ihre taubesetzten Baldachinnetze in krautigen Pflanzen und niedrigen Sträuchern. Hier ergeben sich tolle Möglichkeiten sowohl für die klassischen Makro- als auch für die Vintage-Makrofotografie.

Zusätzlich lassen sich in diesen Netzen spannende Beobachtungen machen:

  • Jagd und Erbeutung von Beutetieren durch das Weibchen
  • Rivalenkämpfe unter anwesenden Männchen (im September ist Paarungszeit bei dieser Baldachinspinne!)
  • Begattungs-Zeremonie des Männchens, Angriffe von Wegwespen ("der Jäger wird zum Gejagden") usw.

Hier bei diesem Foto habe ich ein recht außergewöhnliches Vintage-Objektiv eingesetzt: das Wollensak Raptar 3.8/152mm – ein langes, schmales C-Mount-Objektiv, also ein Objektiv, mit dem vor vielen Jahrzehnten gefilmt wurde, vornehmlich 16mm-Filme. Ist schon etwas außergewöhnlich, mit diesem langen Gerät im Gesträuch rumzufuhrwerken. Man hat einen ordentlichen Arbeitsabstand zur Spinne, muss also aufpassen, dass nicht zu viel Grünzeug im optischen Kanal liegt :-). Der Vorteil ist, dass man die Spinne sowie das weitere Geschehen im Netz nicht stört.

Genauso außergewöhnlich ist die Schärfeleistung dieses eigentlich für die weite Entfernung konzipierten Objektivs im Nahbereich. Sie kommt tatsächlich fast an diejenige modernerer Makroobjektive heran. Seine Abbildungscharakteristik jedoch ist die eines Vintage-Objektivs: zum Beispiel eine weiche Farbwiedergabe und ein Rendering. Dieses Rendering (Herausarbeiten der Kontrastkanten im Bokeh) fällt relativ schwach aus, was häufiger bei insbesondere längerbrennweitigen Objektiven der Fall zu sein scheint.

Die oben fotografierte Baldachinspinne Linyphia triangularis heißt "Annegret" und wohnt in meinem Garten, genauer gesagt in der Kräuterspirale. Wir verbringen momentan recht viel Zeit miteinander, kennen uns also schon ziemlich gut (daher auch der Vorname; wir Duzen uns!). Ich bin gespannt, was uns beiden die kommenden Tage noch so alles bescheren werden...

Na, jedenfalls eine spannende Sache, mit solch alten Objektiven seinen Mitbewohnern würdig unter die Augen zu treten und ihre Arten und Unarten zu vintage-fotografieren :-).

Liebe Grüße

Roland

Kommentarbereich

Profile picture for user Sigi Weyrauch
Makronist

Also weißt du Roland,

es ist ja ohne Frage ein Genuß deine Bilder zu bestaunen, aber dazu noch die Hintergrund Geschichten, das setzt dem ganzen vollends die Krone auf. 

Schön mal wieder was neues erfahren zu haben, ich glaube die Spinne ist evt. auch bei mir zu finden im Garten, mal sehen ob sich eine zeigt.

Lieber Gruß Sigi

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ADMIN

Hallo Sigi,

ich kenne zwar Deinen Garten nicht, aber Du hast schon öfter hier von ihm erzählt; ein kleines Bild kann mich mir also machen. Und ich möchte wetten, dass die Baldachinspinne bei Dir vorkommt. Sollte mal morgens Raureif sein, schaue nach den Netzteppichen – parallel über dem Boden, die meisten in etwa 20 bis 60 Zentimetern Höhe ; sie sind von weit her sichtbar.

Annegret in meinem Garten hatte heute Besuch. Annegret hat sich ´nen Ast abgefreut! Diesen Besucher werde ich gleich mit einem Foto in der Galerie vorstellen... :-).

Liebe Grüße

Roland

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MOD

Ach Roland,

wieder was ganz Feines.Nicht nur, dass du uns  deine  schöne Annegret  präsentierst, sondern du hantierst auch noch mit einem wohl "fernrohrähnlichen" Obi in der Nähe des  Netzes rum und bekommst ein wunderschönes Bild zustande. Da braucht es nicht mehr Worte....:-) Danke auch für deine Infos zum Thema. Ich hoffe, wir bekommen noch einige schöne Fotos der Baldachinspinne hier im Forum zu sehen. Ingo hat ja schon losgelegt.

Liebe Grüße

Gabi

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ADMIN

Hallo Gabi,

Annegret hatte heute Besuch – und ist zu Hochtouren aufgelaufen. Ich stelle den Besucher gleich in der Galerie vor...

Die Baldachinspinne ist ein sehr interessantes Motiv, um sowohl klassische als auch Vintage-Makrofotografie anzuwenden. An ihr kann man sehr schön mit Formen und Lichtern experimentieren. Und dazu gibt´s noch hoch interessante Verhaltensweisen.

Was macht "Deine" Baldachinspinne? Ist sie weiterhin verschollen? Hast Du eine neue gefunden?

Liebe Grüße

Roland

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MOD

Hallo Roland,

meine Spinne war verschollen bis heute morgen. Sie hat sich in die Blätter des Storchenschnabels verkrümelt und dort ein  neues Netz gebaut.Etwas 3 Meter entfernt. Ich war schon ganz traurig, weil nichts mehr los war. An den Bachläufen hier sieht man diese Spinne im Moment sehr häufig. Schöner ist es jedoch im  eigenen Garten rumzuliegen, ohne die ganze Fotoausrützung schleppen zu müssen und Spaziergängern im Weg zu liegen.:-)

Meine Spinne hatte im Gegensatz zu Ingos nicht diese Gabel, sondern nur einen Strich vorne, der nicht weitergeht zum Hinterteil. Ganz eindeutig ist das mit der Bestimmung also nicht.Sonst sehen sie sich allerdings ähnlich. Ich werde versuchen, weiter dran zu bleiben.

Liebe Grüße

Gabi

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Makronist

Gabi, die sind überall!!! Der ganze Garten ist voll davon - mindestens 15 "Stück"! Mir fehlt nur das Licht - und die Zeit (Urlaub vorbei, rabbäh), Und bei dir sind die mit Sicherheit auch zu finden. Oder wohnst du irgendwie speziell?

Liebe Grüße

Ingo

P.S.: Ich quäle mich ja mit Zwischenringen ab (wegen der 10 % - Beschnittregel), weil ich nur ein normales Helios 44-2 besitze - Roland hat glaube ich ein Helios 44-2 Makro :)

Profile picture for user Flora1958

MOD

Guten Morgen, Ingo!

Nein, ich wohne nicht speziell. Und du hast recht, gestern habe ich im Garten  7 auf einen Streich gefunden, wie das tapfere Schneiderlein. :-) Und es werden stündlich mehr. Ich sehe sie jetzt   besser und überall.Sie sitzen vor allem im Efeu und im Immergrün.Aber auch im Elfenspiegel haben sie gebaut. Bisher habe ich allerdings nur wartende Weibchen gefunden, keine Männchen mit wackelndem Po in Sicht.*grins Hoffen wir, dass sie sich bald auf den Weg machen.:-)

Zu deinem Helios: Hast du nicht diesen rausdrehbaren Helicoid-Adapter? Das ist eine wahre Erleichterung Das Gefriemel mit den Zwischenringen ist fürchterlich.

Weiterhin viel Erfolg. Vielleicht besteht ja Aussicht auf Spinnen-Sonderurlaub.;-)

Liebe Grüße

Gabi

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ADMIN

Biologie / Technik / Licht

Hallo Ingo,

gut, dass Du die Gemeine Baldachinspinne (Linyphia triangularis) jetzt überall findest. Sie ist tatsächlich sehr häufig.

Biologie

Ich möchte Dich nochmals ermutigen, dran zu bleiben. Die Männchen sind da! Sie sitzen im Netz oder in Netznähe. Wenn sie ins Netz kommen, siehst Du sie! Sie sind fast so groß wie die Weibchen, nur deutlich schmaler. Und sie haben die auffällig verdickten Pedipalpen vor dem Gesicht :-).

Wenn sie im Netz auftauchen, beginnt in der Regel zunächst die vorsichtige Annäherung – das allgegenwärtige Abchecken, ob die Dame bereit ist :-). Das kann schon mal einige Stunden dauern. Kommen Revierkämpfe hinzu – das ist dann der Fall, wenn mehrere Männchen zusammen im Netzteppich einer Baldachin-Dame herumlungern – dauert es noch länger.
Irgendwann kommt es dann zur Kopula. Hierzu hat Gabi ja schon wunderbare Aufnahmen erstellt und hier gezeigt.
Achtung. Das mit der Paarung kann auf einmal sehr schnell gehen. Und sie kann Stunden dauern! Bei mir dauerte sie mit kurzen Unterbrechungen einen ganzen Tag. Annegret und Berthold waren danach fix und fertig, benötigten einen ganzen Tag der Ruhe und Erholung, lungerten nur noch im Netz rum. Im Rheinland würde man sagen: Die hatten de Pief rus :-)!

Das Schöne daran ist: Die ganze Sache geht jetzt erst los! Wie schon gesagt: September-Monat ist Balz-Monat.

Tja, und ob und wann gegebenenfalls diese Wegwespe kommt, um die beiden zu jagen, das kann natürlich niemand vorhersagen. Dazu gehört dann ein wenig Glück. Aber bis dahin, also alles oben Beschriebene, lässt sich sehr leicht beobachten. Allerdings ist das Fotografieren etwas schwieriger! Aber nur etwas... :-).

Technik

Gabi spricht oben schon den Helicoid-Adapter an. Hast Du den? Der ist wichtig! – weil er unendlich gut ist :-). Ich stelle den immer bei meinen Vintage-Makroworkshops vor und habe auch viele verschiedene für die Teilnehmer dabei. Damit machst Du auch aus dem Helios-44 ein lässiges Helios-44 -2 Makro (grins).

Licht

Das mit dem Licht sollte nicht so tragisch sein. Da wir mit in der Regel sehr lichtstarken Objektiven in Offenblende arbeiten, haben wir eigentlich immer recht viel Licht. Ich fotografiere oft und gerne in die Dämmerung hinein; wenn die Sonne verschwindet, entsteht ein ganz besonderes Licht. Es ist so was wie die

Blaue Stunde der Makrofotografie.

Ich habe hierzu extra ein Bild von gestern Abend eingestellt, das ich mit einem Vintage-Objektiv mit vergleichbarer Lichtstärke wie das Helios 44-2 gemacht habe. Hier erfährst Du noch mehr zu diesem Thema.

Also, Du kannst durchaus auch nach Feierabend nochmal losziehen. Es könnte sich so richtig lohnen...

Liebe Grüße

Roland

Profile picture for user Ingo Heymer
Makronist

Ich habe natürlich nicht "diesen rausdrehbaren Helicoid-Adapter" - wusste ja gar nicht, dass es sowas gibt. Und da ich natürlich auch so ein "lässiges Helios-44 -2 Makro" HABEN will, die Frage: Welches denn sinnvollerweise? Oder alle? Es gibt die ja wohl in verschiedenen Längen (15-26mm / 17-31mm und 35-90mm) ... . Was nutzt ihr denn am häufigsten - und welcher Hersteller?

Ingo

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ADMIN

Hallo Ingo,

halt, Kommando zurück! Die Helicoide gehen nur bei flachen, spiegellosen Systemkameras. Du fotografierst mit einer Spiegelreflexkamera, die ist zu dick. So ein Adapter benötigt eine gewisse Dicke, schließlich muss ja der Schneckengang irgendwo untergebracht werden.

Wird leider nichts mit ´nem lässigen Helios 44-2-Makro, tut mir leid. Da wirst zu wohl weiter mit ´nem Zwischenring rumdocktern müssen. Hier bringen auch die herausschraubbaren M42-Schnecken wenig, weil Du damit schnell einen zu großen Auszug für diese Brennweite erhältst.

Liebe Grüße

Roland 

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ADMIN

Hallo Ingo,

nein, das klappt leider nicht. Das Auflagemaß für M42 ist nur minimal größer als für Dein genormtes Canon-Bajonett. Der Unterschied entspricht genau dem wenige Millimeter schmalen Ring, den Du jetzt im Moment als Adapter hast. Dieser Zwischenraum zwischen Objektiv-Auflagemaß (M42) und der Kamera müsste deutlich größer sein. Dann hätte ein dickerer, etwa 2,5 cm breiter Ring dazwischen Platz. Und in diesen kann man dann einen Helicoid, also ein Schraubgewinde, einbauen.

Wenn Du einen Helicoid bei Deiner Canon zwischen Kamera und Objektiv setzen würdest, würdest Du die Fliege von innen fotografieren :-), so nahe wärst Du dran. Ich nenne das immer "Fliegen-Küsschen". Da dies Unsinn wäre, gibt´s erst gar keinen Helicoid von M42 auf Canon-F.

Liebe Grüße

Roland

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