Weitere Versuche

Ich find´s schwierig. Das erst Bild fliegt mir quasi um die Augen. Licht- und Schärfepunkte sind über das Bild verteilt, der Hintergrund ablenkend hell strukturiert. Das Foto wurde aus Vollformat auf APS-C gecroppt, aus dem Biotar 58mm/2.0 also bildoptisch ungefähr ein 85mm mit Schärfeverhalten wie ein 3.0.

Im zweiten Bild habe ich versucht "aufzuräumen", aber auch hier finde ich das Sonnenlicht hinten zu hell.

Ich finde Sonnenlicht herzerwärmend aber gerade im Makrofoto-Bereich besonders schwer zu händeln. Sollte man es eher ganz meiden?

 

Kommentarbereich

Profile picture for user Roland

ADMIN

Licht bei der Vintage-Makrofotografie

Hallo Michael-AC,

auch von mir ein herzliches Willkommen bei Makrotreff!

Du beschreibst Dein erstes Foto sehr zutreffend:

"Das erst Bild fliegt mir quasi um die Augen. Licht- und Schärfepunkte sind über das Bild verteilt, der Hintergrund ablenkend hell strukturiert.

Mit dieser Beschreibung gehst Du bereits einen enormen Schritt nach vorne. Warum? Weil Du die "Knackpunkte" erkennst. Und einen wesentlichen Grund hierfür sprichst Du auch bereits an: das Licht – und fragst in diesem Zusammenhang, ob man das Sonnenlicht eher ganz meiden soll.

Die Lösung liegt darin, (Sonnen-)Licht differenziert einzusetzen. Fotografie ist Malen mit Licht, das trifft für die Fotografie mit alten Objektiven – also die Vintage-Makrofotografie – im Besonderen zu, da die alten Gläser besonders "empfindlich" mit Licht umgehen. Setze direktes Licht wie beispielsweise Sonnenlicht gezielt in Bildbereichen ein – nicht im ganzen Bild. Stehen sowohl Hauptmotiv als auch alle Hintergrundbereiche im vollen Sonnenlicht, erhalten wir sehr oft genau das, was Du oben beschreibst: "Das Bild fliegt mir quasi um die Augen" (das ist wirklich eine sehr zutreffende Beschreibung!).

Vorgehensweise

Gehe einen Schritt zurück und mache Dir bereits bei der Entwicklung der Bildidee Gedanken über das Licht. Definiere als erstes das Hauptmotiv. Das ist wichtig und wird ab jetzt auch bleibenden Bestand haben – was heißt, dass daran nicht mehr gerüttelt wird.
Dann widmest Du Dich dem Umfeld des Hauptmotivs; das sind in der Regel Unschärfen, sowohl Vorder- als auch Hintergrundunschärfen. Vordergrundunschärfen sollen nicht stören, gemalt mit den alten Objektiven wird in erster Linie in den Hintergrundunschärfen. Denen gibst Du also nun Deine volle Beachtung. Sind Strukturen vorhanden, mit denen das eingesetzte alte Objektiv was anfangen kann – sprich malen kann? Wie kann/muss die Perspektive geändert werden, um diese Hintergrundstukturen möglichst optimal ins Bild einzubinden?
Das Hauptmotiv bleibt natürlich weiterhin Hauptmotiv im Bild. Hierbei gelten also weiterhin alle entsprechenden Regeln zu Bildaufteilung, Schärfelage usw.

Nun kommt das Licht bzw. gegebenenfalls direkte Sonnenlicht ins Spiel. Gibt es ein Licht, dass Deine ursprüngliche Bildidee unterstützt? Das könnte bei Deinem Bild 1 oben beispielsweise der Fall sein, wenn ein Sonnenstrahl genau die Staubgefäße im Inneren der Blüte streift – und der Rest im Schatten läge. Ja, das wär´s! Der Hauptdarsteller (Hauptmotiv) erhält einen Spot, mitten ins Gesicht! Und im Hintergrund (auf der Bühne) wird sanfte Schattenmalerei betrieben :-).

Oder: Die Hauptmotivblüte liegt komplett im Schatten, aber auf einigen wenigen Strukturen im Hintergrund liegen leichte Lichtpunkte (gebrochene Sonnenstrahlen). Solche Bereiche sind Geschenke für viele alte Objektive. Ihre Gläser zeigen ihr Maximum an Maleigenschaft, wenn Strukturen und Licht in den Unschärfen zusammentreffen.
ABER: Das Ganze darf nicht die Bildidee ins Wackeln bringen. Der Hauptdarsteller soll weiterhin Hauptdarsteller bleiben, auch, wenn er im Schatten liegt (Belichtung, Schärfe usw. müssen voll darauf abgestimmt sein). Die Lichtpunkte dürfen also nicht zu dominant werden. Nein, sie sollen die perfekte Bühne für das Hauptmotiv bilden.
[Anmerkung: Hier spielen solche Aspekte eine Rolle, wie groß man beispielsweise das Hauptmotiv ins Bild platziert, sodass es genügend Bedeutung behält. Es muss weiterhin Hauptmotiv bleiben!]

Übrigens: Zur Thematik der oben angesprochenen Lichtpunkte im Bokeh habe ich einiges in unserer MAKROFOTO-Spezial – Natur im Garten geschrieben.

Die besondere "Kraft" vieler Vintage-Objektive

Darin liegen die Stärken vieler Vintage-Objektive. Sie schaffen eine sensationelle Bühne für den Hauptdarsteller. Diese Bühne erhält einen ganz eigenen Wert (oft im Unterschied zur Fotografie mit modernen, hochkorrigierten Objektiven, bei deren Einsatz sich alles noch mehr auf das Hauptmotiv konzentriert und fokussiert). Sie darf dem Hauptdarsteller aber nicht den Rang ablaufen. Das ist genau das, was Du als Fotograf steuern musst; das eingesetzte Objektiv ist hierfür Dein Werkzeug – ein Werkzeug mit enormen Eigenschaften!

Raum für die "Bühne"

Übrigens: Wenn wir hier von "Bühne" sprechen, dann sollte auch Raum für eine solche Bühne vorhanden sein. Bei beiden Bildeinstellungen oben ist dies nicht wirklich der Fall, vor allem nicht beim ersten. Wenn man den Abbildungsmaßstab etwas reduziert, das Hauptmotiv also mit etwas geringerer Vergrößerung ablichtet, bleibt mehr Raum drumherum übrig – das ist dann die Bühne, auf der bildgestalterisch gearbeitet werden kann. Nun ist der Raum da, in dem Du Deine Bildideen entwicklen und mit entsprechenden Objektiven umsetzen kannst – und gegebenenfalls unter Einbeziehung von direkten Licht(punkten).

Ich bin jetzt mal so einen Weg zum Bild in Gedanken durchgegangen. Dies ist natürlich nur beispielhaft; viele Wege führen hier nach Rom.
Aber ich denke, es wir deutlich, wie ein solcher differenzierte Einsatz von direktem Licht aussehen und umgesetzt werden kann.

Du bist exakt auf diesem Weg, auch, wenn Du das selbst (noch) nicht siehst. Aber Deine Erkennung des "Problems" ist einer der größten Schritte zum nächsten Entwicklungsschritt, den Du sicherlich in Kürze erreichen wirst :-).

In diesem Sinne weiterhin "Gut Licht" 

Roland

Profile picture for user Michael-AC
Makronist

Hallo Roland

vielen Dank für Deinen eingehenden Kommentar. Du schreibst Kritik in einer Weise, dass man sie gerne annimmt. Ich werde Deine Gedanken aufnehmen und weitere Umsetzungen probieren. Ich sehe da Paralellen zu guter Portraitfotografie (auch ein Bereich, in dem das Biotar seine Stärken ausspielen kann).

Gruß Michael

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich angezeigt. Deine Emailadresse ist nötig, um Dich über neue Antworten zu informieren.