Vintage-Akelei-Foto – Beispiel eines Lösungswegs

Da nun schon einige interessante Akelei-Fotos eingestellt wurden – zur Zeit befindet sich die Akelei in den tieferen Regionen Mitteleuropas in der Vollblüte –, stelle ich ein weiteres Foto dieser sehr schönen, aber nicht ganz so einfach zu fotografierenden Pflanze ein – zumindest, wenn es ein Vintage-Makrofoto sein soll.

Im Gegensatz zur klassischen Makrofotografie mit modernen Objektiven besteht bei der Vintage-Makrofotografie das Problem, dass mit offener Blende fotografiert wird; nur dann zeigen die meisten geeigneten Vintage-Oldies ihre charakteristische Abbildungsweise, die den Fotos den Eindruck verleihen, als seien sie gemalt. Die offene Blende steht aber für sehr geringe Schärfentiefe. Und dies führt insbesondere bei einer solch dreidimensionalen Blüte wie derjenigen der Akelei zu einer großen Schärfeherausforderung.

Dieses Foto der Akelei habe ich mit Blende 0,95 (!) gemacht – also mit einer extrem offenen Blende und der damit extrem geringen Schärfeebene.

Im Folgenden ein paar Hinweise, wie man diese Sache angehen kann, und die ich bei diesem Akeleibild berücksichtig habe:

Einen nicht zu großen Abbildungsmaßstab wählen.
Mit zunehmendem Abbildungsmaßstab verkleinert sich die Schärfeebene. Also etwas weiter weg bleiben mit der Kamera.

Den Schärfepunkt exakt auf das Hauptmotiv platzieren.
Hier ist das die Akeleiblüte im Bild oben – genauer gesagt das Zentrum der Akeleiblüte mit den Staubbeuteln! Die müssen scharf sein.

Wenn möglich, zusätzlichen Lichtpunkt auf das Hauptmotiv legen.
Akelei-Pflanzen stehen typischerwiese im Halbschatten – so auch hier. Über ihnen befindliche Bäume lassen Lichtstrahlen der Sonne partiell durch. Diese Lichtstrahlen wandern recht schnell. Man sollte solange warten, bis ein Lichtstrahl exakt auf das Zentrum des Hauptmotivs fällt, also auf die Staubbeutel. Dann lässt man das Vögelchen fliegen... :-).
Dieser Lichtpunkt hilft dem Bildbetrachter zusätzlich zur exakt platzierten Schärfe, das Hauptmotiv schnellstmöglich zu erfassen. Infolge der Blende 0,95 kann nicht die gesamte Akeleiblüte scharf werden; dafür ist die Schärfeebene einer so weiten Blende zu gering. Also sucht man weitere Hilfestellungen, um einen eindeutigen Fixpunkt im Bild bzw. im Hauptmotiv festzulegen und zu betonen – in diesem Fall ein Lichtpunkt.

Eine Hauptmotiv-Blüte wählen, in deren Hintergrund sich in attraktiver Entfernung weitere Blütenstände befinden.
Das ist das große Thema des "Nebendarstellers" bei der Vintage-Makrofotografie. Im Hintergrund (Bokeh) sollen Strukturen, Farben und gegebenenfalls Licht dem eingesetzten Vintage-Objektiv die Chance geben, seine Klasse, seine Abbildungscharakteristik zeigen zu können. Dafür dürfen im Fall des Akeleibilds oben die weiteren Blüten im Hintergrund nicht zu nah, aber auch nicht zu weit entfernt stehen. Im einen Fall würden sie für zu viel Unruhe im Bild sorgen, im anderen Fall wäre der Hintergrund zu stark homogenisiert. Dann nimmt man besser ein modernes Objektiv und nutzt dessen Stärken für das Motiv. Nur die "richtige" Entfernung lässt das jeweilige Objektiv attraktiv und bildbereichernd malen.

Eine friedliche Ruhe oder – alternativ dazu – Licht ins Bild bringen.
Vintage-Objektive können sehr "friedlich" malen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ruhiges Licht vorliegt (bewölkter Himmel, Schatten usw.).
In den Bokeh-Strukturen von ausgewählten Vintage-Objektiven kann aber auch die Musik spielen. Kommen beispielsweise zu den Formen (andere Blütenstände) Lichtstrahlen und Lichtpunkte hinzu, dann kann auch mal ein ganzes Orchester für ordentlich Musik im Bokeh sorgen. Nun fahren viele Vintage-Senioren zu Höchstformen auf!
Aber Achtung! Das darf nicht übertrieben werden. Der Hauptdarsteller, sprich das Hauptmotiv, darf nicht zu stark an Wirkung verlieren. Er ist immer noch Hauptdarsteller und soll dies auch bleiben. Aber nun kommt der malerische Hintergrund hinzu, der so typisch für die Vintage-Makrofotografie ist. Er unterstützt perfekt die Aussage des Hauptmotivs, mal träumerisch, mal romantisch, mal dramatisch – und immer malerisch.


Nun ist das Foto so gestaltet, so durchkomponiert und so mit bildnerischen Akzenten versehen, dass die mangelnde Gesamtschärfe in der Akeleiblüte infolge der offenen Blende des Vintage-Objektivs keine optisch störende Wirkung mehr hat.

Ich wünsche unseren Usern viele tolle Vintage-Akeleifotos.

Roland

Kommentarbereich

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ADMIN

Hallo Sigi,

dort, wo die Akelei stand, kamen Sonnenstrahlen durch das Kronendach der Bäume. Es war also nicht sooo dunkel :-).

Wenn Du Deine Kamera auf Zeitautomatik stehen hast (erinnere Dich an´s Einzelcoaching), dann übernimmt die Belichtungsmessung die Kamera. Sie stellt fest, wie hell es ist und steuert automatisch die Zeit, die zu der von Dir eingestellten Blende passt. Du brauchst nur noch zu überprüfen, ob diese Zeit kurz genug für Dich ist, sodass Du sie nicht verwackelst.

Währenddessen steht der ISO-Wert die ganze Zeit fest auf einem von Dir eingestellten Wert, bestenfalls auf einem sehr guten, also z.B. auf ISO 100. Da bleibt er, ohne dass Du Dir ständig Gedanken über ihn machst. Erst, wenn die Verschlusszeit, die die Kamera Dir vorgibt, zu lang wird, überlegst Du, ob Du den ISO-Wert rauf setzt – oder die Blende verstellst (was aber bei der Vintage-Fotografie eher selten sinnvoll ist!).

Mach Dir also nicht so viel Gedanken über den ISO-Wert. Du siehst ja, wie hell es oben bei diesem Foto war: bei ISO 50 hatte ich eine Verschlusszeit von 1/1600s – bei der extrem offenen Blende von 0.95. Diese Verschlusszeit hat die automatische Belichtungsmessung der Kamera ermittelt. Ich hatte keinen Grund, die ISO-Zahl zu verändern.

Lasse also mal die ISO-Zahl etwas beiseite liegen. Die musst Du nicht aus irgendeinem Gefühl immer wieder verändern. Achte auf die Blende und die Verschlusszeit, und erst, wenn das nicht hinhaut, kommt der ISO-Wert ins Spiel.

Lieber Gruß,

Roland

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MOD

 

Hallo Roland!

Ich glaube ich bekomme Akelei-Frustpickel. ;-) Kein Ergebnis hat mich bisher überzeugt, wenn ich wieder dein schickes Foto mit dem tollen Licht anschaue. Also weiter probieren......:-)

Liebe Grüße

Gabi

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Makronist

Also wie immer alles ganz einfach. 

Oder um es mit einem bekannten bayerischen Koch zu beschreiben: Da machst jetz was Unmögliches, gibst an Hauch Wahnsinn und Irre dazu, schmeckst es mit a bisserl Unglaublich ab - und scho host dei Builderl...

Ganz einfach...

Mainecoon

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ADMIN

Hallo Mainecoon,

es ist noch kein Sterne-Koch vom Himmel gefallen (oder wie heißt das auch noch – grins).

Um genau das und noch mehr zu lernen, mache ich einen Vintage-Makro-Workshop. Da werden wir ordentlich anrühren, abschmecken, auftischen – und genießen. Für den irrsinnigen Wahnsinn sorge ich, versprochen (*obergrins*)!

Lieber Gruß,

Roland

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