Weiße Pfingsrose

Ich habe in einer Zeitschrift von minimalistischen Fotos oder Fotomotiven gelesen und dieses Bild ist ein Versuch in dieser Richtung. Ob es gefällt? Es gibt zwar viel unterschiedliche Lichtwerte in der "weißen Landschaft", aber die wenigen dunklen Linien könnten das Minimalistische sein.

Gerhard

Kommentarbereich

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Makronist

Hallo Gerhard.

wenn ich das Konzept der minimalistischen Fotos richtig verstanden habe, geht es darum, durch die Spannung von Negativraum und Motiv einen Raum zum Fühlen, Denken, Träumen zu öffnen.

Wenn diese Definition korrekt ist, haut der Versuch nicht hin, denn hier gibt es keinen Negativraum, im Gegenteil: Jedes einzelne Blütenblatt ist etwas zum aktiven Anschauen. Das Auge ist also so beschäftigt, dass der Geist dahinter gar nicht in den flow-artigen Zustand der Ruhe, des Nachsinnens kommt.

Was wäre, wenn du eines der in lila geränderten Blätter vor einen weißen Hintergrund setzen würdest? Eine Art High-key-Aufnahme, durchbrochen nur von dem Lila?

Auf jeden Fall finde ich es spannend, wenn neue Ansätze der Fotografie hier präsentiert werden, sei es die Vintage-Fotografie von Roland oder der Minimimalismus, den du uns hier vorstellst.

Viele Grüße

Mainecoon

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Ich bin ja auch sehr unsicher, Mainecoon, was die Definition betrifft, habe mich auch nicht tiefer damit beschäftigt, kenne den Begriff Negativraum gar nicht.

Ein Beispiel in dem Artikel war ein einsamer scharzer Pfahl im Drittelpunkt einer eintönigen Strand/Wasserlandschaft. Demnach war die weite leichtbewegte Wasser/Sandfläche wohl der Negativraum, denn mein Blick wurde nur vom schwarzen Pfahl angezogen, der kleinsten Bildfläche, die positiv anziehend wirkte.

Daran dachte ich, als ich im Gegenlicht der Nachmittagssonne nur die Farbränder einiger Blütenblätter in der hellen Fläche erkannte und die auf mich in der großen Blüte minimal wirkten.

Danke für die Kritik, es war für mich ein Versuch in eine mir fremde Kategorie der Fotografie (oder ist das eine Kunstrichtung?) einzusteigen. Evtl. gehört der Begriff auch mehr in  die Landschaftsfotografie.

Gerhard.

 

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Makronist

Hallo Gerhard.

Deine Vermutung zum Negativraum ist korrekt, so würde ich es auch sehen. Du nennst zudem noch weitere wichtige Aspekte der Minimalisten: den Drittelpunkt und die fast grafische Gestaltung (der Pfahl).

Ich glaube, diese Art zu fotografieren ist eine ganz wichtige (wenngleich ich nicht so weit gehen würde, sie eine Kategorie oder gar Kunstrichtung zu nennen, aber dazu später mehr). Ich halte sie deshalb für wichtig, weil sie den Blick schärft für die Aussage eines Bildes.

Oftmals begehen wir den Fehler (ich meine damit nicht dich), dass wir zuviel in ein Bild packen, dass wir alles zeigen wollen, was wir gesehen haben. Wir lassen dabei außer Acht, dass unser Hirn automatisch eine Wahl nach individueller Bedeutsamkeit vornimmt. Diese Bedeutsamkeit bewirkt, dass wir nur das uns Interessierende wahrnehmen. Ein Betrachter kennt unsere individuelle Bedeutsamkeit aber nicht, und er sieht all das, was unser Hirn ausgeblendet hat: im schlimmsten Fall auch den Zaun und den Abfallkorb am Rand der wunderschönen Landschaft. 

Der minimalistische Ansatz zwingt uns dazu,

  • genauestens sowohl das Motiv als auch seine Umgebung zu betrachten
  • aufmerksam für alles zu sein und einen buchstäblich eigenen Blick zu entwickeln 
  • zu lernen, uns auf die Aussage unseres Bildes zu konzentrieren und sie zu gestalten lernen
  • jenseits der technischen Perfektion dem Bild eine Seele zu geben

All das sind Fähigkeiten, die durchaus auch jeder anderen Sparte der Fotografie zugute kommen! Deshalb ist es egal, ob wir Menschen-, Landschafts-, Architektur- oder Makrofotografie betreiben. Diese Fähigkeiten sind in meinen Augen eine Grundvoraussetzung dafür, besondere Bilder machen zu können (daher würde ich minimalistische Fotos nicht als eigene Kunstform bezeichnen, sondern eher eine Übung).

Also versuch es ruhig weiter in diese Richtung! Du kannst nur davon profitieren - und wir weiter lernen.

Viele Grüße

Mainecoon

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Danke, Mainecoon, für die ausführliche Antwort, ich habe sie mehrfach mit Interesse gelesen.

Diese Dialoge zeichnen m.E. Makrotreff gegenüber anderen Foren aus, wo sich die Kommentare auf cool, schön, gefällt mir usw beschränken. Nur fundierte Kritik, positiv oder negativ, bringt einen weiter.

Von den 4 aufgeführten minimalistischen Ansätzen teile ich die ersten 3 sofort, obwohl sie m.E. für alle Bildstile gelten können.

Auf der Ebene Makrotreff mit Schwerpunkt Tier und Pflanze im Detail fällt es mir schwer, mit dem Bild eine Seele anzusprechen. Das gelingt sicher z.B. mit einer Abendstimmung in der Landschaftsfotografie oder mit spezieller Belichtung bei der Aktfotografie.

Wenn ich mir die Bilder in der Galerie im Überblick ansehe, erkenne ich als Schwerpunkt die Gestaltung des Negativraumes, hier Hintergund genannt und auch das Streben nach technischer Perfektionn, hauptsächlich Schärfe, nur meine Seele wird nicht angesprochen, eher mein Verstand. Möglicherweise bin auch zu sehr Techniker und Realist.

Mein momentaner Eindruck ist, dass der Begriff minimalistische Fotografie kaum in der Makrofotografie anwendbar ist.

Gerhard,

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ADMIN

Minimalistische Fotografie

Hallo Gerhard,

Mainecoon und Du habt einen sehr interessanten Austausch zum Thema "minimalistische Fotos" geführt. Dabei fällt unter anderem der Begriff Negativraum. Zu diesen Themen ein paar weiterführende Gedanken:


Negativraum

Diesen Begriff verwende ich bei meinen Workshops. Er stammt aus der Kunst und wird beispielsweise als einer unter mehreren Punkten innerhalb der Bildanalyse verwendet. Er ist das Gegenstück zum Positivraum, der – vereinfacht ausgedrückt – das Hauptmotiv darstellt. Der Negativraum ist also alles außerhalb des Hauptmotivs. Somit beschreibt er nicht nur den Hintergrund. Er ist der Raum vor, hinter und auch neben dem Hauptmotiv.

In der Bildbeschreibung spielt der Negativraum eine große Rolle. In der Regel dient er dem Hauptmotiv, verstärkt seine Aussage oder verschafft ihm zumindest eine attraktive Bühne. Eine sehr verstärkte Bedeutung erhält er bei der Vintage-Makrofotografie; aufgrund der Abbildungscharakteristiken der eingesetzten alten Objektive kann er sogar dem Hauptmotiv die Schau stehlen. Dann wird hier auf Makrotreff der Oscar dem Nebendarsteller verliehen... :-).
 

Minimalistische Fotografie

Natur- und Makrofotografie bewegt sich häufig in den Bereichen der Pflanzen-, Tier- oder auch Landschaftsfotografie. Dennoch kann man die Natur oder Teile von ihr durchaus auch minimalistisch abbilden. Das ist ein hoch interessantes Feld. Die Betrachtung wird künstlerischer, eine sehr geeignete Methode ist Reduktion.

Solche Fotos lassen viel Raum – viel Negativraum. Es entsteht Tiefe. In diesem tiefen Raum kann der Bildbetrachter einsinken, sich hineinfallen lassen. Der (Negativ-)Raum gibt Raum für eigene Vorstellungen, für Phantasien. Er kann symbolhaft angedeutete Informationen enthalten (minimalistische Strukturen, Farben usw.), oder auch ganz leer sein.

Die fototechnische Methode, diesen Raum darzustellen bzw. zu schaffen, ist die Unschärfe. In ihr entsteht er, durch sie entsteht er. Am deutlichsten wird er mittels Offenblende erzeugt. Lichtstarke Objektive sind hierfür prädestiniert. Blenden von 2.8 und darunter sind die Wahl.

Viele alten Objektive (Vintage-Objektive) sind sehr lichtstark. Mit offener Blende eingesetzt, zeichnen sie sogar häufig auch das Hauptmotiv eher leicht unscharf, zumindest nicht so extrem scharf wie moderne, hervorragend korrigierte Objektive. Es entstehen weiche Kanten, bei Lichteinfall sogenannte Flares oder ein Coma. Auch diese Erscheinungen – keine konkreten "Objekte" sondern eben nur Erscheinungen – tragen zur Reduktion bei und regen damit zusätzlich die Phantasie des Bildbetrachters an.

Minimalistische Fotografie ist eine Disziplin, die bei vielen fotografischen Richtungen angewandt werden kann, so auch bei der Natur(makro)fotografie. Ihr geht die Frage voran, auf welche Weise ich ein Motiv sehe und festhalten möchte. Insbesondere künstlerische Ansätze gehen gerne diesen Weg der minimalistischen Darstellung, der Reduktion.

Ich hänge mal ein Bild hier an, das dies beispielhaft zeigt. Ich schreibe erst einmal nichts zum Inhalt bzw. zu meiner Intention. Damit ist der Phantasie beim Betrachten völlig freier Lauf gegeben. Vielleicht schreibe ich später einmal etwas zu meiner Absicht, die ich mit diesem Foto ausdrücke.

Lieber Gruß,

Roland

Sony A7 II; Canon 0.95/50mm (Objektiv von 1961); Blende 0.95; 1/500s; ISO 100

Profile picture for user Erich Müller

Wie aus einem bräunlich grauen Nebel schießt der Silberpfeil vorbei. Einen blausilbernen Schweif hinter sich herziehend, lässt er das Grün und das Blau- Blassrosa links liegen...

Vielleicht stößt die Spitze in das grünbraune etwas....Vielleicht zeigt sie auch wegweisend auf das Grün und das Pink dort rechts.....

Soweit meine Phantasie zu diesem Gemälde,  das schon in Richtung Kunst  gehen könnte ....

Gruß 

Erich 

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Danke, Roland, für deinen Kommentar.

Vor wenigen Tagen kannte ich den Begriff Negativraum noch nicht und nun werde ich durch eure Beiträge in eine neue Denkrichtung, zunächst bei der Bildbetrachtung, gelenkt.

Es ist schon bemerkenswert, dass ein Fotograf, wenn er für sein Hauptmotiv einen Hintergrund mit z.B. wirkungsvollen Bokeh sucht, damit den Wert des Negativraumes verändert oder sogar gleichrangig zum Hauptmotiv machen kann.

Bei deinem Beispielbild glaube ich zu verstehen, was mainecoon meint, wenn er schreibt, dass ein Bild Raum zum Fühlen, Denken, Träumen eröffnen soll. Das tut es, besonders, wenn der Künstler nicht mit einem Untertitel den Raum für eine Interpretation einengt.

Aber ehrlich bekannt, wenn mir so ein Foto gelungen wäre (bisher nie angestrebt), hätte ich den Eindruck gehabt, dass es nicht in diese Galerie passt, bei der die Philosophie "Werben für die Biodiversität" als Leitlinie gilt.

Dieses Bild zeigt m.E. Bildkunst und muss kein Foto und könnte auch gemalt sein und ohne Untertitel suche ich das Motiv nicht nur in der Natur.

Vielleicht könnte man den derzeitige Themenkreis (nach meinem Empfinden konkret Tier und Pflanze) der Galerie um z.B. "Impressionen aus der Natur" o.ä. erweitern, oder die Mitglieder dazu ermuntern, dann gäbe es auch einen Raum für Fotos dieser Art.

Aber Spaß machen diese Gedanken schon, deshalb nochmals meinen Dank.

Gerhard,

 

Profile picture for user Roland

ADMIN

Hallo Gerhard,

selbstverständlich passt so ein Foto in unsere Galerien – je nach Entstehung entweder in die Makro- oder in die Vintage-Makro-Galerie. Es widerspricht meines Erachtens auch nicht unserer stark biologischen Ausrichtung. Auch ein künstlerisch/ästhetischer Zugang zur uns umgebenden Umwelt hat sehr viel mit Biodiversität und deren Schutz zu tun. Im Gegenteil: Emotionalität und Kreativität stellen sehr große Zugangspforten zur Natur dar.

Du hast Recht: Das von mir eingestellt Foto zeigt "Bildkunst", wie Du es treffend nennst. Fotografie ist sehr schnell ein Teil, ein Aspekt der Kunst. Warum?
Fotografie ist dann Kunst, wenn der Fotograf selbst einen Anteil an seinem Foto hat. Und das hat er fast immer, und sei es auch "nur" durch die Festlegung des fotografierten Ausschnitts. Darüber hinaus ist die Grenze seines Anteils nach oben offen.

Wir vertreten hier auf Makrotreff jedoch nicht die Meinung, dass alles, egal wie es fotografiert wurde, automatisch "gut" ist (wobei der Begriff "gut" hier nur sehr unzureichend passt). Auch bei stark künstlerischen Vorgehensweisen, die zum Beispiel bei Reduktionen oder auch Abstraktionen gegeben sind, gibt es gelungene und weniger gelungene Werke. Hier spielen Faktoren wie Aussageverdichtung, Bildkomposition und vieles mehr eine große Rolle.
Ich bin mir darüber im Klaren, dass bezüglich dieser Sichtweise die Meinungen sehr weit auseinander gehen. Vertreter der "freien Kunst" sehen das vollkommen anders. Aber wir haben uns hier auf Makrotreff diesbezüglich ein wenig "definiert" (siehe erster Absatz bei den Hinweisen zum Foto-Upload), damit das Ganze nicht zu sehr in alle Himmelsrichtungen abhebt und keiner mehr was damit anfangen kann :-).

Solche stark künstlerisch ausgerichtete Fotos haben, wie oben schon erwähnt, Platz in den beiden bereits vorhandenen Galerien. Zu einer weiteren Galerie mit dem beispielsweise dem Namen "Impressionen" neige ich eher weniger; der Name "Impressionen" ist weit verbreitet und steht seit vielen Jahren für eine ganze Menge Sichtweisen und Beschreibungen dieser Thematik. Der Begriff ist irgendwie ziemlich ausgelutscht... :-)

Lieber Gruß,

Roland

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Guten Tag Roland,

"Impressionen" war nur ein spontaner Vorschlag, wahrscheinlich weil man ihn häufiger liest, wie du auch bemerkst.

Er ist entstanden durch meine Ansicht, dass in der Galerie hauptsächlich Bilder von Pflanzen und Tieren oder Teile davon erwünscht sind. Wenn ich in der Galrie zurück blättere, sehen das wohl viele so.

Aber nach deiner weit umfassenderen Definition ist die Diskussion überflüssig.

Die Kommentare zum Thema Minimalismus und Fotokunst brachten mir Erkenntnisgewinn, Danke.

Gerhard.

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